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Leichter Rückgang von 566 auf 513 Einsätze bei unverändert hoher Arbeitslast für die Ehrenamtlichen - waren die Menschen heuer bisher vorsichtiger und entschleunigter unterwegs?

BERCHTESGADENER LAND/TRAUNSTEIN/ALTÖTTING (ml) - Der wegen einiger aufwendiger Rettungen und sehr vieler Sommer-Touristen oft subjektiv empfundene Schein trügt:  Die Einsatzzahlen der Bergwacht in den Berchtesgadener und Chiemgauer Alpen sind im Corona-Jahr 2020 entgegen des bayernweiten Aufwärtstrends während der bisherigen Sommer-Saison von Mai bis einschließlich Oktober etwas rückläufig (Rückgang von 566 auf 513), wobei es lokal auffällige Unterschiede gibt. Auch die Zahl der Toten scheint rückläufig zu sein: Bisher gab es 2020 in der Region 13 am Berg verstorbene Menschen; 2020 waren es im gesamten Jahr 20. „Die absolute Zahl der Einsätze spiegelt dennoch nie den tatsächlichen Aufwand wider, der bei schwierigen Rettungen oder tage- bis wochenlangen Vermisstensuchen in diesem Jahr vereinzelt sehr umfangreich war“, betont Regionalleiter Dr. Klaus Burger.

Weniger Sommereinsätze bei mehr Andrang in den Alpen
2020 ist ein Bergwachtjahr im Chiemgau mit gewissen statistischen Widersprüchen: Vor allem während des Lockdowns im Frühjahr war die Bergwacht nur bei einer überschaubaren Zahl an Einsätzen gefordert, da die Einheimischen trotz des anhaltend schönen Wetters weniger und vorsichtiger unterwegs waren und die Urlauber in der Region fehlten. 140 Einsätze verzeichnet die Region Chiemgau von März bis Mai 2020, wobei gut die Hälfte davon noch vor dem Lockdown stattfand. Im Sommer waren dagegen gefühlt wesentlich mehr Menschen als sonst in den heimischen Bergen unterwegs – auch viele ansonsten weniger bergaffine Gäste, die ohne die Pandemie eigentlich ins Ausland und dort ans Meer gereist wären. Gemessen an der großen Zahl der Urlauber ist deutlich weniger passiert als im Vorjahr.

„Entschleunigter am Berg?
„Dass tatsächlich weniger passiert ist, wird vor allem die Einheimischen überraschen, die viele der bis in den Oktober hinein absolut übervollen Parkplätze, den Ausflugsverkehr auf stark frequentierten Straßen und die Massen an Wanderern an den bekanntesten und beliebtesten Hotspots noch vor Augen haben. Wir können nur spekulieren, wieso es dennoch einen Rückgang von immerhin gut 50 Sommer-Einsätzen gab; vielleicht waren die Menschen vorausschauender und vorsichtiger, vielleicht in der Mehrzahl auch etwas entschleunigter und mit einer besseren Selbsteinschätzung unterwegs“, meint Regionalleiter Burger auch vor dem Hintergrund, dass die Zahl der blockierten, also unverletzt in Bergnot geratenen Bergsteiger 2020 deutlich abgenommen hat. „Natürlich waren die Übernachtungsmöglichkeiten auf Berghütten wegen Corona stark begrenzt und wichtige Stützpunkte wie das Watzmann-Ostwandlager in Sankt Bartholomä ganz geschlossen, wodurch die Reichweite eingeschränkt und häufig keine Mehrtages-Touren möglich waren“, ergänzt der Bergwachtleiter.

In der wegen Corona nur als Video-Konferenz abgehaltenen Herbst-Dienstbesprechung der 15 Bereitschaften und der Spezial-Einsatzgruppen der Bergwacht-Region waren sich die Leitungskräfte einig, dass die Einsatzzahlen im Detail nur schwer zu interpretieren sind und signifikante Aussagen eher spekulativ wären. In der bisherigen Sommer-Saison von Mai bis einschließlich Oktober gingen die Einsätze von 566 im Jahr 2019 auf heuer 513 zurück; lediglich im September 2020 war ein Einsatzplus von 16 zu verzeichnen – was daran liegen kann, dass noch ungewohnt viele Urlauber in der Region verweilten.Auch in der Winter-Saison zeichnet sich ein deutlicher Rückgang ab: 2018/2019 (Dezember bis April) waren es noch 580 Einsätze - 410 in der Saison 2019/2020.

„Auffällig im Sommer ist, dass an machen touristisch stark frequentierten Hotspots wie bei der Bereitschaft Berchtesgaden die Zahlen deutlich rückläufig waren, bei der Nachbar-Bereitschaft in der Ramsau dagegen stark ansteigend. Deutlich rückläufig waren Kletterunfälle, stark zugenommen haben hingegen die Klettersteig-Einsätze (21 Fälle bisher 2020 gegenüber nur drei im Jahr 2019). Spitzenreiter bei der Einsatz-Auswertung von Januar bis Oktober nach Bergsportarten sind wie immer Skifahren (264), Wandern (237) und Bergsteigen in höheren, ausgesetzteren Regionen (166). Entgegen der bayernweiten Zunahme von Arbeitsunfällen im unwegsamen Gelände (3) und Mountainbike-Unfällen blieben im Chiemgau diese Zahlen auf etwa gleichem Niveau; erstmals werden auch die Zahlen für E-Bike-Unfälle gesondert ausgewiesen und verdeutlichen, dass viele E-Biker in den Bergen unterwegs sind (27 Mountainbike-Unfälle und gesondert nochmals 16 E-Bike-Unfälle). „Die starke Zunahme der Mountainbike-Unfälle in anderen Regionen wie im Bayerischen Wald liegt sicherlich auch daran, dass dort einige stark frequentierte Bike-Parks für Unfälle sorgen“, meint Geschäftsführer David Pichler.Die meisten Menschen, die die Hilfe der Bergwacht in Anspruch nehmen, kommen heuer aus Bayern (nahezu 50 Prozent) und aus anderen deutschen Bundesländern; im Jahr 2020 kamen nach der bayernweiten Statistik nur 3,22 Prozent aus dem Ausland, gegenüber 6,09 im Jahr 2019 ,was sicherlich an den durch Corona bedingten Reise-Beschränkungen liegt.

Mehr Einsätze im Landkreis Traunstein, weniger Einsätze im Berchtesgadener Land
Die 20- bis 30-Jährigen und die 50 bis 60-Jährigen sind nach der Bergwacht-Auswertung besonders häufig betroffen; in diesen Altersgruppen sind die meisten Unfälle und Notfälle zu verzeichnen. Die Zahl der blockierten, also Unverletzte in Bergnot nahm während der Sommer-Saison von 146 auf 92 sehr deutlich ab. „Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Corona so manche alpinistische Ambition einfach entschleunigt hat“, meint Burger. Im Landkreis Traunstein ist in nahezu allen acht Bereitschaften ein leichter Zuwachs an Sommer-Einsätzen zu erkennen, explizit in Bergen, Grassau, Marquartstein, Reit im Winkl, Schleching und auch Traunstein als ergänzende Wache; Ruhpolding bleibt auf konstant hohem Niveau. Im Berchtesgadener Land verzeichnet die Bergwacht einen letztlich nicht schlüssig erklärbaren, aber deutlichen Einbruch um 92 Einsätze bei der Bereitschaft Berchtesgaden, bei der Nachbar-Bereitschaft Ramsau mit den Haupt-Einsatzgebieten Watzmann, Hochkalter und dem südlicheren Teil der Reiter Alpe und des Lattengebirges ein erkennbares Plus von 17. Bad Reichenhall notiert bei hohem Einsatzaufkommen ein kleines Minus von elf Einsätzen, Marktschellenberg bleibt etwa gleich, Teisendorf-Anger meldet vor allem mit Einsätzen am Teisenberg ein Plus.

Die Corona-Infektionsgefahr am Berg bei Einsätzen und auch in der notwendigen Ausbildung stellt die Bergwachten in der Region vor enorme Herausforderungen. „Das kameradschaftliche Miteinander, das gesellige Beisammensein, als das bleibt deutlich auf der Strecke“, bedauert der stellvertretende Regionalleiter Michael Holzner. „Wir haben, wie auch die Bergwacht in ganz Bayern, erfreulicherweise nur sehr wenige Infektionsfälle in den eigenen Reihen, und schon gar nicht bei Einsätzen“, freut sich Burger, und verweist auf die umfangreich und dennoch praxisnah ausgearbeiteten Hygiene-Konzepte der Bergwacht Bayern und der einzelnen Bereitschaften. „Bergwacht kann keiner außer Bergwacht – ein Backup gibt es nicht, wenn wir alle in Quarantäne müssten“, warnt Burger. „Deshalb geben wir besonders acht, dass wir uns nicht infizieren und versuchen um jeden Preis zu verhindern, dass eine ganze Bereitschaft ausfällt“, ergänzt Ressortleiter Einsatz Andreas Zenz aus Bergen, der die Koordinierungsgruppe Einsatz der Region führt und in Corona-Zeiten zusätzlich gefordert ist.

Das hauptamtliche Team in der Regional-Geschäftsstelle mit Geschäftsführer David Pichler, Sandra Abfalter, Marcel Häusler und Franz Meier unterstützt die Bereitschaften vor allem in logistischen und zunehmend auch administrativen Angelegenheiten und entlastet damit die Ehrenamtlichen, was sich in der Corona-Krise besonders bewährt hat und hilft, dass sich die Freiwilligen vor allem auf ihre Einsätze konzentrieren können und neben dem oft sehr fordernden Beruf noch genug Zeit für die Bergwacht finden. Die notwendige Aus- und Fortbildung in Bergrettung, Notfallmedizin und Naturschutz konnten die Bergretter unter Federführung von Ausbildungsleiter Christian Auer, Regionalarzt Dr. Christian Freund und Natur- und Umweltschutz-Ressortleiter Franz März auch in Corona-Zeiten gut meistern, da Sichtungen von Anwärtern, Prüfungen und Notfallmedizin-Kurse zwar unter erschwerten Bedingungen, aber Dank des ausgefeilten Hygiene-Konzepts mit weniger Teilnehmern, Masken, mehr Abstand, reduzierten Kontakt-Zeiten und viel E-Learning dennoch stattfinden konnten. „Das Ausbilder-Team hat die Teilnehmer bestens vorbereitet und die Termine sehr gut durchgeführt“, lobt Burger.

„Wir fragen nicht danach, ob ein Unfall oder eine Bergnot zu vermeiden gewesen wären. Unsere Hilfe richtet sich nicht nach den persönlichen oder aktuellen Umständen, sondern immer nach dem Maß der Not. Wir sind eine Rettungsorganisation, auf die sich auch in Corona-Zeiten im Ernstfall wirklich jeder verlassen kann“, betont Burger und beruhigt damit alle Menschen, die während der derzeit für viele belastenden Zeiten etwas Abwechslung und Erholung in der Natur und den Bergen suchen.

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