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Verfasser: Markus Leitner, aktualisiert am 19.10.04 um 22:56 Uhr

Rotkreuz-Helfer aus dem Landkreis nehmen am Hochwasser-Katastropheneinsatz in Dresden teil

Berchtesgadener Land (ml) - Nachdem die Hochwasserlage in Sachsen sich immer mehr zuspitzte, wurden Hilfskräfte aus ganz Bayern alarmiert, um in der Landeshauptstadt Dresden die Evakuierungs- und Betreuungsmaßnahmen zu unterstützen. Auch aus dem Berchtesgadener Land traten am vergangenen Donnerstag Morgen 19 Mitglieder der BRK-Schnelleinsatzgruppen mit drei Rettungswagen, drei Krankenwagen, zwei Viertragen-Wagen und einem Mannschaftswagen den langen Weg ins Katastrophengebiet an, um dort schlimmeren Schaden abzuwenden. Mit insgesamt 1840 Helfern und rund 650 Fahrzeugen stellte das BRK das größte Einsatzaufgebot seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und nahm noch bis gestern an Notfalleinsätzen und Betreuungsmaßnahmen in Dresden und Pirna teil. Da zuvor noch kein Ende des Katastrophenfalls abzusehen war, wurden die ersten Helfer aus dem Berchtesgadener Land bereits am Sonntag nach vier anstrengenden Tagen abgelöst. Der nächste Mannschaftswechsel wäre situationsabhängig für Mittwoch geplant gewesen, alle Sanitäter kehrten jedoch noch am Dienstag in die Heimat zurück. Schon zuvor waren die Helfer beim Katastrophenfall im Landkreis im Einsatz und evakuierten Personen oder füllten Sandsäcke.
In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag den 15. August erkannte die Einsatzleitung im Hochwasser-Katastrophengebiet in Dresden die Brisanz der Lage durch die schon seit Tagen unüberschaubar schnell steigenden Fluten der Elbe, wodurch die Gefahr der Überschwemmung mehrerer Stadtteile bestand, in denen über 60000 Personen zum Teil in Krankenhäusern und Altenheimen vom Wasser unmittelbar bedroht waren. Das Land Sachsen sandte daher ein Hilfsgesuch nach Unterstützung an das Bayerische Innenministerium aus, und innerhalb kürzester Zeit wurden über die Rettungsleitstellen im ganzen Freistaat die ehrenamtlichen Helfer der im Rettungsdienst tätigen Hilfsorganisationen mit dem Auftrag mobilisiert, mit möglichst großen Transportkapazitäten zu Evakuierungsmaßnahmen nach Dresden aufzubrechen. Das BRK wurde mit der Koordination der Hilfskräfte aus Bayern beauftragt und richtete bei Hof an der Grenze zu Sachsen eine erste Sammelstelle für die Hilfskonvois ein. Auch im Berchtesgadener Land wurden die Sanitäter der BRK-Schnelleinsatzgruppen in den frühen Morgenstunden alarmiert und sahen sich aufgrund der geographischen Entfernung mit einem zunächst utopisch anmutenden Einsatzauftrag konfrontiert, der jedoch schnell aufgrund der neuesten Nachrichten über die sich zuspitzende Lage an Realität gewann. Um 3.30 Uhr Morgens brachen 19 Sanitäter mit 9 Fahrzeugen aus dem Landkreis von Neukirchen aus in Richtung der Katastrophengebiete auf. Nach München trafen die Sanitätszüge mehrerer Landkreise aufeinander, so dass sich die Autobahn in ein Blaulicht-Meer von Rettungsfahrzeugen verwandelte, und mehrere Hundert Sanka in einer noch nie zuvor da gewesenen Formation in Richtung Dresden fuhren. Insgesamt trafen im Laufe des Tages 1840 Helfer mit über 650 Fahrzeugen aus ganz Bayern am Bereitstellungsplatz beim Flughafen Dresden ein und stauten sich teilweise weit auf die Autobahn zurück. Der Feiertag Maria Himmelfahrt hatte viele zusätzliche Helfer mobilisiert, wodurch die Erwartungen der Einsatzleitung in Bezug auf die Zahl der Rettungsmittel weit übertroffen wurden. Nach der Ankunft gegen Mittag wurden die beiden Einsatzleiter der Kräfte aus dem Berchtesgadener Land, Ludwig Wetzelsberger und Andreas Rautter, mit Aufgaben im Führungsstab der Gesamteinsatzleitung betraut und als Abschnittsleiter Rettungsdienst und Einsatzleiter Sanitätsdienst eingesetzt. Erst nach einer Strukturierung und Erfassung konnten die Fahrzeuge zum Einsatz kommen, wobei zur selben Zeit die Organisation zur Einrichtung der Versorgung der Einsatzkräfte mit Lebensmitteln, Sanitäreinrichtungen und Schlafmöglichkeiten auf Hochtouren lief. Während die Örtliche Einsatzleitung der Stadt Dresden mit ihren Kräften gegen das Hochwasser kämpfte, koordinierte die Berufsfeuerwehr Nürnberg als untergeordnete und unterstützende Einrichtung alle Hilfskräfte aus Bayern. Das BRK übernahm die Führung des Bereichs Rettungsdienst und disponierte die Sanitäter von BRK, Malteser Hilfsdienst, Arbeiter-Samariter-Bund, Johanniter-Unfall-Hilfe, DLRG, MKT und Ambulanz Rosenheim.
Mit Rettungswagen wurden Kranke und Intensivpatienten aus vier Krankenhäusern in der Innenstadt evakuiert und in ein 190 Betten starkes Notkrankenhaus mit OP-Zelten der Bundeswehr im Terminal des Flughafens verbracht, wo Großraumhubschrauber und Transall-Maschinen pausenlos Verlegungen in andere Krankenhäuser bis Berlin und Hamburg durchführten. Nicht allein die unmittelbaren Gefahren der Flut, auch die Tatsache, dass Altenheime und Krankenhäuser durch das steigende Wasser für längere Zeit von der Umgebung abgeschlossen sind und eine Versorgung unmöglich wird, machten eine rasche Evakuierung dringend notwendig.
Am Freitag in frühen Morgenstunden drohte der Pegel der Elbe ein kritisches Maß zu überschreiten, so dass ein gemischtes Kontingent aus Rettungsfahrzeugen über die letzte passierbare Brücke ans andere Flussufer verlegt wurde, um dort im Fall der Teilung der Stadt die medizinische Versorgung der Bevölkerung gewährleisten zu können. Ein weiterer Teil aus Bayern leistete Hilfe im benachbarten Pirna, wo nach einer Totalüberflutung 3000 Menschen evakuiert und in einer Zeltstadt untergebracht wurden. Auch die Wasserwachten und Mitglieder der DLRG aus Bayern konnten das THW mit ihren Booten bei der Evakuierung unterstützen, denn an vielen Stellen war mit Fahrzeugen kein Durchkommen mehr möglich. In Konvois von bis zu 40 Fahrzeugen wurden die auswärtigen Helfer durch die Polizei zu ihren Einsatzorten gelotst oder versuchten selbst mit Karten ihre Zielorte ausfindig zu machen. Mit der Unterbringung in Schulen oder Zelten sowie der Bereitstellung von Toilettenhäuschen und Duschmöglichkeiten sowie mehrerer Feldküchen war nach einiger Verzögerung auch die Versorgung der zugezogenen Hilfskräfte sichergestellt. Am Samstag Vormittag stattete der Präsident des BRKs, Dr. Heinz Köhler seinen Freiwilligen einen Besuch ab und bedankte sich bei vielen persönlich für den tatkräftigen Einsatz. Er sei stolz auf seine Menschen die helfen, wie er nachdrücklich betonte, als er sich selbst vor Ort ein Bild von der Lage machte.
Bei Evakuierungen, Notfalleinsätzen, Betreuung und Versorgung der Betroffenen arbeiten die verschiedenen Hilfsorganisationen noch im Augenblick als großes Team in Dresden zusammen, denn nach Aussagen der Gesamteinsatzleitung werde man erst in zwei Wochen wieder wirklich von Normalität sprechen können.
Trotz der fallenden Pegel nach einem Höchststand von 9,40 m am Samstag bleibt in der Stadt der Katastrophenfall weiterhin bestehen, da noch viele schwere Aufgaben wie Aufräumarbeiten, Wiederherstellung der Infrastruktur und Rückführung von Betroffenen zu bewältigen sind. Die bayerischen Hilfskräfte wurden daher bis Dienstag auch nur zu Teilen reduziert. Ihre Aufgabe besteht im Moment in der Durchführung normaler rettungsdienstlicher Aufgaben im Schadensgebiet sowie in der Betreuung von Betroffenen. Bereits am Sonntag wurde das erste Team aus dem Berchtesgadener Land nach vier anstrengenden Tagen durch eine frische Mannschaft aus der Heimat abgelöst. Lageabhängig war für Mittwoch der nächste Personalwechsel geplant, wobei die Fahrzeuge als beschlagnahmtes Bundeseigentum für die Dauer der Katastrophe vor Ort bleiben sollten und die neuen Helfer mit Mannschaftswagen nachrückten. Der BRK Kreisverband Berchtesgadener Land greift dabei auch auf qualifizierte Kräfte aus der Wasserwacht und Bergwacht zurück, da durch eine normale Arbeitswoche zu viele der Freiwilligen aus den Bereitschaften gebunden sind.
Kreisgeschäftsführer Tobias Kurz bedankt sich im Angesicht der Katastrophe nochmals bei allen Spendern, ohne die eine Vorhaltung von zusätzlichen Kranken- und Rettungswagen im Landkreis für derartige Ausnahmezustände kaum möglich wäre.
Laut BRK Landesgeschäftsführer Armin Bauer handelt es sich bei dem bayerischen Aufgebot um die größte Hilfsmaßnahme seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Derartige Szenarien könne sich niemand vorstellen weshalb auch keine Katastrophenschutzpläne für diesen Ausnahmezustand existierten. Mehr als 6000 Rotkreuzler aus sechs Bundesländern kamen insgesamt in Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt im Rahmen der Überschwemmungen zum Einsatz.
Nach einiger Anlaufzeit funktionierte die Organisationsstruktur aller eingesetzten Kräfte und in kleineren Gruppen mit einzelnen Einsatzleitern konnte überschaubar kompetente Hilfe geleistet werden. Dankbar und freundlich revanchierten sich dafür die Einheimischen, indem sie die bayerischen Helfer mit Lebensmitteln und Getränken versorgen und ihre Dankbarkeit spüren ließen.
Für die Flutopfer in ganz Deutschland rief das Deutsche Rote Kreuz eine Spendenaktion ins Leben, wobei bereits eine Million an Betroffene in den Landkreisen Passau und Regensburg direkt ausgezahlt wurde. Opfer des Hochwassers sollten sich direkt an den zuständigen BRK-Kreisverband wenden. Spenden können auf das Spendenkonto 414141 unter dem Stichwort Nachbar in Not bei der Bank für Sozialwirtschaft in Köln, Bankleitzahl 37020500 eingezahlt werden.