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Verfasser: Markus Leitner, aktualisiert am 19.10.04 um 22:38 Uhr

Einsatzkräfte der Wasserwacht, Bergwacht, BRK-Bereitschaft, Polizei und Feuerwehr simulieren Schiffsunglück mit 60 Verletzten auf dem Königssee

Königssee (ml) - In einer groß angelegten Übung am Königssee trainierten die Helfer der Wasserwacht, Bergwacht, BRK-Bereitschaft, Polizei und Feuerwehr das Zusammenspiel beim Massenanfall von Verletzten im unzugänglichen Gelände. Mitarbeiter der Schifffahrt Königssee spielten einen Brandausbruch mit einer Akkuexplosion auf einem Touristenboot nach, das anschließend manövrierunfähig mit einem weiteren Boot kollidierte, wobei die Passagiere, gespielt von Wasserwacht-Helfern, zu großen Teilen in letzter Not über Bord gingen. Nach Eingang des Notrufes setzten sich die Hilfskräfte aus dem gesamten Berchtesgadener Land in Echtzeit mit ihrer Ausrüstung in Bewegung. Neben allen Schnelleinsatzgruppen der Wasserwachten und der BRK-Sanitätsbereitschaften war auch der Polizeihubschrauber Edelweiß 2 im Einsatz und führte in Zusammenarbeit mit der Bergwacht Berchtesgaden die Bergung von Verletzten durch, die sich ans Steilufer retten konnten. Mit Booten der Wasserwacht, Feuerwehr und Polizei wurden die Patienten aus dem See und vom brennenden Boot gerettet und zum Verbandsplatz in der Schiffswerft transportiert, während Taucher nach Vermissten unter Wasser suchten und die Feuerwehr mit Atemschutz gegen den Brand vorging.
Nur vier Minuten waren seit Eingang des Notrufes vergangen, als die ersten Einsatzfahrzeuge am Ufer des Sees eintrafen und in gegenseitiger Absprache im Kampf gegen die Zeit mit der Unglücksbekämpfung begannen. Neben den beiden fest in den eisfreien Monaten am See stationierten Booten der Polizei und Wasserwacht Berchtesgaden wurden auch das Feuerwehr-Boot aus Bad Reichenhall und zwei kleinere Boote der Königssee-Schifffahrt sowie ein schwimmendes Podon zur Brandbekämpfung und Personenrettung eingesetzt. Während Wasserwacht und Feuerwehr auf dem See mit der Evakuierung beschäftigt waren, wurde im Werftgelände durch die Sanitätsbereitschaften mit dem Aufbau eines Verbandsplatzes begonnen. Da in Berchtesgaden nicht genug Personal und Material für ein Unglück dieser Größenordung vorhanden ist, wurden über die Rettungsleitstelle Traunstein alle anderen Schnelleinsatzgruppen des Landkreises hinzugezogen, die mit 17 Fahrzeugen und zwei Sanitätsanhängern am Einsatzort eintrafen - alles Autos die zusätzlich zum herkömmlichen Rettungsdienst, zu großen Teilen aus Spendengeldern der Bevölkerung finanziert, für derartige Szenarien bereitgehalten werden.
Nur mit der Einrichtung eines Einbahnverkehrs und der Einhaltung strikter Parkregeln konnte ein Chaos und die gegenseitige Behinderung im engen Hof der Werftanlage weitgehend verhindert werden. Ebenso kümmerten sich Polizei und Feuerwehr um die Verkehrsregelung und Hubschraubereinweisung und verhinderten zudem eine Störung der Übung durch neugierige Touristen. Direkt am Ufer übernahmen die Sanitäter die unterkühlten und teils schwer vom Brand geschädigten Opfer mit Tragen und Decken, wobei ihr Weg durch ein Registrierungszelt führte, wo die genaue Zahl der Patienten, die Art ihrer Verletzungen sowie Personalien vom Abschnittsleiter und vom Leitenden Notarzt festgehalten wurden. Nur durch eine derartige lückenlose Sichtung können Transportprioritäten festgelegt und abgängige Personen frühzeitig bemerkt werden. Die von den Wasserwacht-, Feuerwehr- und Bergwacht-Helfern nur Erstversorgten wurden im errichteten Verbandsplatz in der Werfhalle von Sanitätern und Notärzten bestmöglich stabilisiert, so dass ein Transport in weiterbehandelnde Kliniken zumutbar wurde.
Auch der Polizeihubschrauber Edelweiß 2 vom Flughafen München war an der Übung beteiligt und führte zusammen mit Männern der Bergwacht Berchtesgaden Such- und Bergungsflüge über der Unglücksstelle auf Höhe der Falkensteiner Wand durch. Mit der Winde wurden Personen aufgenommen, die sich an den Steilhang des Nordufers retten konnten. Am Südufer nahmen die Rettungskräfte mit Booten weitere Menschen auf. Da zu Beginn keine genaue Zahl der Passagiere bekannt war, kamen Taucher der Wasserwacht und Feuerwehr zum Einsatz, die die Suche in den Tiefen des Sees fortsetzten, während die Feuerwehren mit Atemschutz gegen den Brand vorgingen.
Besonderen Wert legten die Helfer auf ein abgestimmtes, gemeinsames Handeln und die Kommunikation und Struktur am Einsatz. Von jeder Organisation war eine Person in der Gesamteinsatzleitung abgestellt, und allen Einsatzbereichen wie Krankenwagenhalteplatz oder Registrierungszelt war ein Abschnittsleiter zugeteilt, der im ständigen Kontakt mit der Führung stand. Durch die erstmals durchgehende Kennzeichnung mit farbigen Westen waren die Führungskräfte schnell für die Helfer erkennbar, was den Gesamtablauf beschleunigte, so dass bereits 45 Minuten nach Einsatzbeginn mit dem Abtransport begonnen werden konnte und die gesamte Übung nach zwei Stunden abgeschlossen war.
Das Ausfindigmachen von freien Klinikbetten für Schwerbrandverletzte oder die Anforderung von Rettungs- und Intensivtransporthubschraubern für den raschen Weitertransport gehörte ebenfalls mit der Einrichtung einer Übungsleitstelle zum Trainingsumfang und wurde theoretisch durchgespielt. Nach der Schwere ihrer Verletzungen wurden die Betroffenen in drei Transportkategorien eingeteilt und mit den Rettungs- und Krankenwagen zu den imaginären Zielen transportiert - in der Übung nur bis zum Busparkplatz oberhalb des Sees. Schnell wurde dabei das Personal knapp und die unzureichende Zahl von Fahrzeugen deutlich. In Wirklichkeit würde zwar der herkömmliche Rettungsdienst ebenfalls noch zur Verfügung stehen, trotzdem bewege man sich laut BRK-Bereitschaftsleiter Peter Dengler immer noch an den Grenzen des Machbaren, wenn auf einen Schlag 60 zum Teil schwer Verletzte einer professionellen und schnellen Behandlung bedürfen und zudem auf mehrere Krankenhäuser verteilt werden müssen. Ohne die Spendenbereitschaft der Bevölkerung für einen erweiterten Fahrzeugbestand, wie er im Landkreis aufgebaut wurde, müssten viele Patienten beim Massenanfall von Verletzen zu lange auf kompetente Hilfe warten und hätten keine Chance.
Als wichtiger Effekt derart groß angelegter Übungen zeichnet sich auch das Zusammenrücken der Helfer aus dem ganzen Landkreis und der unterschiedlichen Organisationen ab, denn die Aufgabengebiete überschneiden sich immer wieder oder müssen wie die Glieder einer Kette ineinander greifen, damit kompetente Hilfe geleistet werden kann. Aus diesem Grund wurde mit allen Helfern eine Nachbesprechung mit gemütlichen Beisammensein und Brotzeit durchgeführt.