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Verfasser: Markus Leitner, aktualisiert am 19.8.04 um 12:45 Uhr

Hand in Hand-Arbeit - BRK-Schnelleinsatzgruppen üben für den Massenanfall von Verletzten

BAD REICHENHALL (ml) – Ohne Teamarbeit läuft gar nichts, wenn es innerhalb kürzester Zeit bei einem Großschadensereignis gilt, die Chaosphase zu überwinden und effiziente Hilfe für eine Vielzahl von Patienten zu leisten. Die Sanitäter der BRK-Schnelleinsatzgruppen im Landkreis sind dabei nicht nur medizinisch gefordert, sondern müssen unter Zeitdruck bei der Patientensichtung und beim Errichten von Verbandsplätzen unter schwierigen räumlichen Bedienungen einsatztaktisch sinnvolle Entscheidungen treffen, von denen das Wohlergehen vieler Menschen abhängen kann. Jeder Handgriff muss sitzen, wenn Zelte aufgebaut werden oder der Betreuungsdienst die Versorgung von Einsatzkräften und Betroffenen übernimmt. Deshalb findet jährlich eine groß angelegte Materialübung statt, bei der die Zusammenarbeit und Führung im Team trainiert werden. Insgesamt nahmen 46 BRK-Helfer mit insgesamt 15 Fahrzeugen aus dem Berchtesgadener Land an der theoretischen und praktischen Ausbildung am vergangenen Samstag in Bad Reichenhall teil.
„Logistik ist der Schlüssel zum Erfolg“, so der Fachdienstleiter Sanitätsdienst im Berchtesgadener Land, Andreas Rautter. In einer ländlichen Struktur sind die Vorlaufzeiten für die Schnelleinsatzgruppen des Betreuungs- und Sanitätsdienstes beim Einsatz oft extrem hoch, weshalb Kreativität und Improvisationsvermögen gefragt sind, um mit wenig Personal und Material schnell effektiv arbeiten zu können.
Dennoch demonstrierten die Helfer eindrucksvoll, dass innerhalb von nur 30 Minuten eine Versorgung von bis zu 50 Verletzten zu bewerkstelligen ist, als der Verbandsplatz nach dem „Modell Traunstein“ am Festplatz in Bad Reichenhall aufgebaut wurde. Dabei ist nicht nur technisches Wissen, sondern in erster Linie Teamarbeit gefragt, denn eine Hand muss in die andere greifen, um die Fehlerquellen und Schnittstellen zu minimieren. Dank der Helfer der Freiwilligen Feuerwehr Bad Reichenhall, die mit der Drehleiter angerückt waren, konnte die Struktur des Verbandsplatzes aus der Luft begutachtet werden, was nicht minder zum Lernerfolg beitrug.
In einem theoretischen Teil wurden am Vormittag die Grundlagen aufgefrischt, die beim Massenanfall von Verletzten für jeden einzelnen Helfer die Basis seines Handelns ausmachen.
Auf Sichtung und Triage, also die Einteilung von Patienten nach dem Schweregrad ihrer Verletzungen, ging der Leitende Notarzt Dr. Michael Eisert ein. Im Ernstfall werden durch die Sanitätseinsatzleitung Behandlungs- und Transportprioritäten festgelegt, wenn Material und Personal nicht ausreichen, um allen Betroffenen sofort die ideale medizinische Versorgung bieten zu können. Auch wenn bei einer Sichtung jeder Patient nur eine Minute lang untersucht und dann eingeteilt wird, erhöht eine Verletztenzahl von über 50 die Einsatzdauer derart immens, dass auch im Berchtesgadener Land eine Unterstützungsgruppe für die Sanitätseinsatzleitung eingerichtet wird, um den Leitenden Notarzt und den Organisatorischen Leiter im Einsatzfall entlasten zu können.
Werner Schöberl vom BRK Kreisverband Traunstein stellte ein neues Modell vom Verbandsplatz vor und ging zusammen mit Andreas Rautter genauer auf den Bereitstellungsraum ein, denn auch ungünstig abgestellte Rettungsfahrzeuge können zum Erliegen des Einsatzes führen, wenn Zu- oder Abfahrtswege blockiert werden.
Der Leiter des Kriseninterventionsteams im Berchtesgadener Land, Helmut Langosch, vermittelte den Sanitätern einen kleinen Überblick zum Thema Basisnotfallnachsorge. Eine Patientenversorgung besteht nicht nur aus venösen Zugängen, EKG-Ableitung und Kopfverband. Personen, die einen Verkehrsunfall oder den Tod eines nahe stehenden Menschen hautnah miterlebt haben, erscheinen auf den ersten Blick unverletzt, müssen aber aufgrund ihrer seelischen Wunden dennoch psychisch betreut werden. Wie schwierig es ist die richtigen Worte zu finden und wie viel mit der Technik des „aktiven Zuhörens“ durch den Sanitäter vor Ort erreicht werden kann, bis ein Kriseninterventionsteam eintrifft, konnte Langosch nachhaltig darstellen. Für alle Einsatzkräfte des BRKs sind in naher Zukunft ausführlichere Kurse in Basisnotfallnachsorge geplant.
Mit dem Aufbau der Feldküche bewies der Betreuungsdienst, dass auch in kürzester Zeit bis zu 100 Personen mit warmen Mahlzeiten und Getränken versorgt werden können. Die Fachdienstleiterin Betreuungsdienst, Christa Glaser, hatte bereits am Vormittag den Aufbau von Küchenzelt und Feldkochherd in den theoretischen Grundlagen wiederholt, um eine abgestimmte Arbeitsweise zu erzielen. Im Berchtesgadener Land ist eine klare Aufteilung in Sanitäts- und Betreuungseinheiten in den sechs Schnelleinsatzgruppen aufgrund der ländlichen Struktur nicht möglich. Jeder muss alles können, denn Einsätze, wie die beiden Reisebusunfälle am Weinkaser und auf der Autobahn im vergangenen Jahr, entwickelten sich nach der Versorgung der Verletzten rasch zu mehrstündigen Betreuungseinsätzen, wo nicht mehr allein medizinische Fähigkeiten, sondern Organisationstalent bei der Registrierung von Abgängigen und der Versorgung der Betroffenen mit Essen und Trinken gefragt war. „Die meisten Einsätze der Schnelleinsatzgruppen sind Betreuungseinsätze.“, so Christa Glaser. Umso wichtiger erscheint es der Fachdienstleiterin, dass sowohl hinsichtlich der Helferausbildung als auch der öffentlichen Akzeptanz der Betreuungsdienst dem Sanitätsdienst gleichgestellt wird und nicht als langweiliges Anhängsel im Roten Kreuz betrachtet wird. Kleinere Fehlerquellen und Schwierigkeiten, die erst in der Praxis offenbar wurden, konnten bei der Übungsnachbesprechung aufgedeckt werden, was ungemein den Lernerfolg verstärkte.