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Verfasser: Markus Leitner, aktualisiert am 16.8.04 um 17:52 Uhr

15.167 Einsätze seit 1983 - 20 Jahre Notarzteinsatzfahrzeug im südlichen Landkreis

BERCHTESGADEN (ml) – Am 1. Juli 1983 nahm nach langer Vorbereitungszeit und unzähligen Hürden der Notarztdienst auf Initiative von Dr. Gerd Hüppe von der Anästhesieabteilung des Kreiskrankenhauses in Berchtesgaden und des damaligen BRK-Wachleiters Rudi Meier Realität an. Seit diesem Zeitpunkt bis zum Ende des Jahres 2002 wurde das Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) des Roten Kreuzes in Berchtesgaden zu 15.167 Notfällen geschickt, um den Patienten eine rasche und effiziente Hilfe zukommen zu lassen. Alarmiert per Funkmeldempfänger über die Rettungsleitstelle in Traunstein, die trotz neuer gesetzlicher Beschlüsse für eine Vereinheitlichung der Notrufnummern nach wie vor über die vom Festnetz aus vorwahlfreie Telefonnummer 19222 erreichbar ist, wird der Notarzt zu Einsätzen hinzugezogen, die aufgrund ihrer Komplexität von den Sanitätern alleine nicht bewältigt werden können. Der Standort Berchtesgaden war der erste im Leitstellengebiet Traunstein, der mit seinem „Rotkreuz/Bayern 1646“ über ein NEF verfügte.
Während 1984 nur bei 477 von insgesamt 2.816 Rettungsdienst-Einsätzen der Wache Berchtesgaden ein Notarzt alarmiert wurde, so waren es im vergangen Jahr 1.006 bei einer Gesamtzahl von 3.779 Einsätzen. Hinsichtlich der internen Einsatzzahlen fand im Zeitraum zwischen 1984 und 2002 mehr als eine Verdoppelung statt, wobei vor 20 Jahren noch 271 Menschen einer notärztlichen Erstversorgung bei internistischen Erkranken bedurften und im Jahr 2002 625 Patienten. Die Zahl der Notarzteinsätze bei Verkehrsunfällen stagnierte während der letzten zwei Jahrzehnte und bewegte sich jährlich zwischen 60 und 120 hin- und her. Einer steigenden Anzahl von Verkehrsteilnehmern wirkte der Faktor Sicherheit in der Autokonstruktion entgegen, so dass die Zahl der Verletzten nicht zunahm.
Ohne ärztliche Maßnahmen seien den Erfolgen der Sanitäter in der Lebensrettung Grenzen gesetzt, so der damalige Leiter der Rettungswache Berchtesgaden, Rudi Meier, im Jahr 1983. Zu oft seien die Helfer in Extremsituationen auf sich gestellt und müssten ohne ärztliche Unterstützung klarkommen. Es sei kein Verdienst der Politik, sondern dem Engagement der Ärzte und Rettungssanitäter zu verdanken, dass der Fremdenverkehrsort Berchtesgaden seit dem 1. Juli 1983 über ein eigenes Notarzteinsatzfahrzeug verfügt, das zu den ersten in Bayern zählt. Die Sparkasse Berchtesgadener Land stiftete einen neuen Opel Ascona im Wert von 23.000 DM, der im Rahmen einer Feierstunde fertig ausgebaut als NEF am 25. Juni an Dr. Hüppe übergeben wurde.
Im Jahr 1984 fanden bereits sechs Fortbildungsveranstaltungen mit insgesamt 80 Besuchern für die Rettungssanitäter statt, die gezielt auf die Assistenz beim Notarzteinsatz vorbereiteten. Zudem bestand die Möglichkeit, dass die Sanitäter am OP-Betrieb teilnehmen, um dort wichtige Techniken zu üben.
Allein die örtliche Distanz zwischen Krankenhaus und Rettungswache in Berchtesgaden machte ein Rendezvous-System, bestehend aus Rettungswagen und NEF unabdingbar, denn wenn der Rettungswagen erst zum Krankenhaus fahren muss, um den Arzt aufzunehmen, vergeht wertvolle Zeit, die ein Leben kosten kann. Die Zeit bis zum Eintreffen am Einsatzort lag im Jahr 1984 bei durchschnittlich sieben Minuten, was bei den geographischen Besonderheiten des südlichen Landkreises beachtlich ist. Nur dadurch, dass der Notarzt im eigenen Fahrzeug kommt, ist er viel beweglicher und kann zu anderen Einsätzen abgezogen werden. Somit ist die Fahrzeug-Vorhaltung für Notfälle besser gewährleistet und kann von der Leitstelle optimaler ausgenützt werden.
Leider ist eine ständige Besetzung des NEFs mit einem Fahrer im Bayerischen Gesetz über den Rettungsdienst nicht festgelegt, so dass die Sozialversicherungsträger eine Finanzierung konsequent ablehnen. Nach wie vor ist das Notarzteinsatzfahrzeug daher gesetzlich betrachtet kein offizielles Rettungsmittel, weshalb Unterhalt und Finanzierung des Fahrers trotz der enormen Vorteile für den Patienten ein Problem darstellen und nur durch finanzielle Mittel des BRK-Kreisverbandes sowie durch Unterstützung des Landkreises gedeckt werden. Im ersten Dienstjahr wurden insgesamt 2.057 Stunden von nur wenigen Rettungssanitätern ehrenamtlich als Fahrer des Notarzteinsatzfahrzeugs Berchtesgaden in Tag- und Nachtschichten erbracht, denn viele der teilnehmenden Ärzte waren nicht ortskundig und sahen es als enormen Vorteil an, bei der Patientenversorgung sowie bei der Anfahrt nicht allein zu sein. Die Anfahrt mit Sondersignal und Funkkontakt mit der Leitstelle stellt bei fehlenden Ortskenntnissen eine enorme psychische Belastung dar, was verhindert, dass der Notarzt seine Konzentration auf den Patienten richten kann. Aufgrund der fehlenden Finanzmittel war es trotzdem notwendig, dass der Arzt bald weitgehend alleine fahren musste.
Im Januar 1991 wurde ein VW-Golf mit Allradantrieb angeschafft, um das alterschwache Vorgängerfahrzeug zu ersetzen. Erst am 4. Juni 1999 wurde nach Absprache mit dem Leitenden Notarzt Dr. Thomas Heim wieder ein neues Fahrzeug vom Typ Toyota RAV4 im Gesamtwert von 45.000 DM gekauft, das aufgrund eines Unfalls bei einer Einsatzfahrt am Neuhaustorbogen am 17. Januar 2000 nur eine kurze Lebensdauer hatte. Bereits am 23. Februar nahm ein identisches Ersatzfahrzeug seinen Dienst auf, das auch heute noch fährt. Insgesamt kam es innerhalb von zwei Jahrzehnten zu vier Totalschäden am Notarzteinsatzfahrzeug Berchtesgaden, wobei aber niemals jemand verletzt wurde.
Im Moment versehen insgesamt zwölf Notärzte Dienst in Berchtesgaden und fahren das NEF zu 90 Prozent selbst. Fünf der Ärzte sind nicht am Krankenhaus Berchtesgaden tätig und starten von Zuhause aus zum Einsatzort, wie auch viele der Ärzte vom Kreiskrankenhaus, wenn sie in ihrer Freizeit Notarztdienst leisten.
Das Rendezvous-System, bestehend aus Rettungswagen und NEF, mag zwar teurer sein als ein Kompakt-System, jedoch ist es gerade im ländlichen Bereich wesentlich effektiver und kommt dem Kranken zugute. Aufgrund der doppelten Ausrüstung von Rettungswagen und NEF ist meist ein Fahrzeug schnell wieder für einen Folgeeinsatz verfügbar. Auch an den Standorten Bad Reichenhall und Freilassing, als die letzten im Leitstellengebiet Traunstein, wird seit 2000 der Notarzt im eigenen Einsatzfahrzeug zum Patienten gebracht, was sich ebenfalls bewährt hat. Während in Berchtesgaden die Mehrzahl der Notärzte mittlerweile über ausreichende Ortskenntnisse verfügt und daher fast nur noch alleine ohne eigenen Fahrer mit dem Einsatzfahrzeug ausrückt, fährt das NEF in Bad Reichenhall und Freilassing nur mit eigenem Fahrer, der den Arzt zum Einsatzort bringt und die Qualifikation eines Rettungsassistenten oder Rettungssanitäters besitzt, um fachgerecht assistieren zu können. In Berchtesgaden ist das NEF 24 Stunden rund um die Uhr besetzt, an den Standorten Bad Reichenhall und Freilassing fährt aufgrund der Finanzierungsprobleme in Bezug auf den NEF-Fahrer von sieben Uhr abends bis sieben Uhr morgens nur noch der Rettungswagen, der den Notarzt bei Bedarf am nahen Krankenhaus aufnimmt. Gesetzlich ist weder die notwendige Ausbildung noch die Vergütung des Fahrers für ein NEF geregelt, so dass eigene Finanzierungsmodelle gefunden werden müssen und die Fortsetzung eines Rendezvous-Systems ständig unsicher erscheint und oft vom ehrenamtlichen Einsatz abhängig ist. An manchen Standorten fährt der Notarzt daher alleine zum Patienten, an anderen Rettungswachen wird ein Zivildienstleistender oder sogar ein qualifizierter Rettungsassistent als Fahrer bereitgestellt, der dem Arzt als rechte Hand zur Seite steht.

Die
Die Sparkasse Berchtesgadener Land stiftete einen neuen Opel Ascona im Wert von 23.000 DM, der im Rahmen einer Feierstunde fertig ausgebaut als NEF am 25. Juni an das Notarzt-Team Berchtesgaden übergeben wurde: Oberarzt Dr. Heidegger (von links), Dr. Dudas, Dr. Zabel, Dr. Oberpeilsteiner, Dr. Moritz, Zivildienstleistender Jagemann, Rettungsassistent Dengler, der heutige Wachleiter Paukner und Chefarzt Dr. Hüppe, Gründer der Notarzt-Gemeinschaft Berchtesgaden.