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Verfasser: Norbert Hekele, Gymnasium Berchtesgaden, aktualisiert am 2.10.06 um 23:22 Uhr

Noël Martin aus Birmingham spendet 1000 englische Pfund für die Opfer des Eishallen-Unglücks in Bad Reichenhall

BERCHTESGADEN – „Zu Gast bei Freunden“ – dieses Motto der Fußballweltmeisterschaft galt leider nicht für den Briten Noël Martin aus Birmingham. Vor elf Jahren wurde der gebürtige Jamaikaner schwarzer Hautfarbe in Mahlow bei Berlin von deutschen Rassisten angepöbelt und beleidigt. Dann hetzten sie ihn in einer Verfolgungsjagd, bis sein Wagen an einem Straßenbaum zerschellte. Seither sitzt Noël Martin querschnittsgelähmt im Rollstuhl, ohne Hoffnung auf Genesung. Obwohl er durch Deutsche in Deutschland sein Leben, wie er es bis dahin führte, verlor, spendete er nun über das Bayerische Rote Kreuz (BRK) für die Opfer und Hinterbliebenen der Katastrophe von Bad Reichenhall 1.000 englische Pfund (ca. 1.500 Euro).

Wie reagiert ein Mensch, dessen Leben böswillig zerstört worden ist? Mit Hass, Rachegefühlen, mit Niedergeschlagenheit, Selbstmitleid, Lethargie? Noël Martin hat keinen dieser Wege gewählt. Unterstützt von vielen Freunden, auch aus Deutschland, ist es ihm gelungen, Hassgefühle zu überwinden und sich nicht der Depression zu ergeben. Vielmehr wendet er das ihm widerfahrene Böse zum Guten, indem er sein Schicksal als Mahnung gegen Rassismus und für Versöhnung einsetzt. Die Spende für Bad Reichenhall ist dabei eine gute Tat von vielen.

Ein aktives Leben gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit

Nachdem Noël Martin, knapp dem Tode entronnen, sich auf ein Leben in der Bewegungslosigkeit eingestellt hatte, gründete er mit seiner Frau eine Stiftung. Der Noël and Jacqueline Martin Fund hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kontakte zwischen Jugendlichen aus Deutschland und Großbritannien aufzubauen mit dem Ziel, einander kennen zu lernen, Vorurteile abzubauen und freundschaftliche Beziehungen zu entwickeln. Dieses Jahr reist zum fünften Mal eine Gruppe aus Deutschland nach Birmingham.

Darüber hinaus setzt Noël Martin seine Kraft dafür ein, über die Medien den Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu führen. Vor etlichen Jahren war er in der Talkshow von Reinhold Beckmann, der auch einen Film über die Täter gedreht hat. Auch in den britischen Medien tritt er entschieden für seine Sache ein. Er unterstützt Black History Month, eine Initiative in Großbritannien, die sich die Würdigung der Errungenschaften dunkelhäutiger Menschen zur Aufgabe gemacht hat. Er setzt sich ein für Tolerance Football, eine Form des Fußballspiels, bei der man sich für ein Foulspiel beim Gegner entschuldigen muss. Jüngst war er als Gast in der ARD-Talkshow Menschen bei Maischberger. Am diesjährigen Tag der Deutschen Einheit traf er in der deutschen Botschaft in London mit dem Ministerpräsidenten von Brandenburg, Matthias Platzeck, zusammen, dessen Bundesland Noël Martin im Rahmen der Opferentschädigung unterstützt. Demnächst wird seine Autobiographie auf Englisch und Deutsch erscheinen.

Wie kam Noël Martin in Verbindung mit dem Berchtesgadener Land? Das Gymnasium Berchtesgaden hatte unmittelbar nach dem Verbrechen Kontakt mit dem Opfer aufgenommen und ihm eine beträchtliche Summe als Unterstützung zukommen lassen. Seitdem besteht eine Freundschaft, die einen Höhepunkt erlebte, als Noël Martin vor fünf Jahren Deutschland noch einmal besuchte und in Mahlow eine Demonstration gegen Rassismus anführte. Danach besuchte er seine Freunde am Gymnasium Berchtesgaden und genoss einige Tage im Berchtesgadener Land. Nun nahm er Anteil am Leid der Menschen beim Eishallen-Unglück und ließ den Hinterbliebenen Spendengelder zukommen, die er unter seinen Freunden gesammelt hatte.

Sinkender Lebensmut

Umso trauriger stimmt es, dass Noël Martin trotz all dieser Aktivitäten nun der Lebensmut verlässt. Mehrfach hat er seinen Entschluss bekannt gegeben, im nächsten Jahr aus dem Leben scheiden zu wollen. Die Bewegungslosigkeit bringt weitere körperliche Probleme mit sich, wie Wundsitzen, starken Blutverlust und Ohnmachtsanfälle. Er spricht davon, durch fortschreitenden körperlichen Verfall seine Würde zu verlieren. Über zehn Jahre im Rollstuhl, in jeder Sekunde von Helfern abhängig zu sein, nicht zuletzt der Tod seiner Frau vor mehreren Jahren – das nennt er als Gründe für seine Entscheidung. Auf die Frage, was man für ihn tun könne, antwortet er lapidar: „Lebe dein Leben, liebe deine Familie, tue Gutes in deinem Beruf und darüber hinaus.“ „Das Bayerische Rote Kreuz dankt Noël Martin für seine großherzige Spende. Man kann sicher sein, dass viele Menschen im Berchtesgadener Land sich mit ihm verbunden fühlen“, sagt BRK-Kreisgeschäftsführer Tobias Kurz.

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Noël Martin in seinem Garten.
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Noël Martin vor dem Grab seiner Frau Jacqueline.