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Verfasser: Text: Ulli Kastner, Berchtesgadener Anzeiger, Fotos: Bergwacht im BRK & Ulli Kastner, aktualisiert am 2.2.07 um 22:44 Uhr

Beim Lawinenhundelehrgang der Bergwacht Chiemgau müssen Mensch und Tier ihre Einsatztauglichkeit beweisen

BERCHTESGADENER LAND (uk) - In rund 1.600 Metern Höhe ging in diesen Tagen eine Klausur der besonderen Art zuende. Weitgehend abgeschottet von äußeren Einflüssen bemühten sich auf dem Hochplateau der Reiteralpe 18 Hundeführer und ihre Tiere um Optimierung der Verschüttetensuche. Beim Lawinenhundelehrgang der Bergwachtregion Chiemgau bewiesen die Vierbeiner zur Freude von Ausbildungsleiter Sepp Steiner durchwegs eine gute Nase. Die sicherte dem Tier dann auch einen positiven Eintrag in den Bewertungsbogen und damit den Status als A-, B- oder gar C-Hund. Denn Qualität ist für die Angehörigen der Lawinenhundestaffel oberstes Gebot, schließich geht es im Ernstfall um Menschenleben.

„Der Ausbildungsstand ist zurzeit hervorragend“, freut sich Sepp Steiner, der die Suchaktionen am Rande des „Lawinenfelds“ genau beobachtet. An mehreren Stellen warten freiwillige „Verschüttete“ darauf, von den Tieren aufgespürt zu werden. Auch der routinierte Teisendorfer Bergwachtmann Rupert Seeböck hat es sich in seiner engen Schneehöhle wieder auf einer Isomatte bequem gemacht, wenige Meter weiter liegt seit drei Stunden Rupert Erber in kalter Dunkelheit und vertreibt sich die Zeit mit Computerspielen auf dem Handy. Dabei bräuchten die „Opfer“ eigentlich gar nicht lange zu warten, denn die Hunde sind an diesem Tag wieder einmal sehr zielsicher. Doch zur endgültigen Befreiung kommt es erst, wenn das letzte Tier den Einsatz beendet hat.
Nur wenige Sekunden braucht Schäferhund „Daf“ des Reichenhallers Hannes Jahrstorfer an diesem Tag, bis er das „Opfer“ verweist und mit großem Eifer zu graben beginnt. Während der „Verschüttete“ von Bergwachtkollegen sondiert und gegebenenfalls ausgegraben wird, ist „Daf“ schon wieder auf der Suche. Ein weiteres Mal wird das Tier fündig und erhält prompt seine Belohnung. Der Hund ist mit seinen drei Jahren auf dem Höhepunkt seiner Leistungskraft, die erneute Qualifikation als C-Hund ist ihm sicher. Mit dieser höchsten Auszeichnung ist er wie beispielsweise auch Michael Partholls „Lasso“, Kurt Beckers „Arco“ oder Andi Baumanns „‚Benno“ bei Verschüttetensuchen uneingeschränkt einsetzbar.

„Geschenkt wird keinem was“

So weit sind Ralf Kaukewitsch und seine junge „Lilly“ noch nicht. „Lilly“ macht den A-Kurs und ist damit erst am Beginn ihrer Karriere als Lawinenhund. Doch die Experten bescheinigen dem Tier eine besondere Eignung für diese Ausbildung. „Es ist wichtig, dass der Hundeführer und sein Hund charakterlich auch zusammenpassen. Bei den beiden ist das schon der Fall“, sagt Staffelleiter Walter Lang. Mit „Lilly“ bemühen sich in dieser Woche vier weitere Hunde, den Anforderungen an einen A-Hund gerecht zu werden. Der Rest sind B- und C-Hunde, darunter auch vier Polizeihunde mit ihren Hundeführern. Sie alle müssen die Anforderungen an einen ausgebildeten Lawinenhund erfüllen. „Geschenkt wird keinem was“, betont Staffelleiter Walter Lang und fügt an: „Wenn ein Hund die entsprechende Leistung nicht bringt, dann ist er weg“. Doch ein Lehrgang in der Abgeschiedenheit der Reiteralpe kann auch helfen, Probleme zu überwinden. „Da können wir geradeheraus reden und überlegen, was zu tun ist“, erzählt der Staffelleiter.
Seit 1993 praktiziert man in der Bayerischen Bergwacht bei der Lawinenhundeausbildung das von den Schweizern entwickelte Fünf-Phasen-System. In Phase eins sucht der von einer fremden Person geführte Hund seinen noch sichtbaren Hundeführer. In Phase zwei gesellt sich zum aufzuspürenden Hundeführer noch eine zweite Person, die das Tier bei erfolgreicher Suche belohnt. Schwieriger wird es in der dritten Phase, in der beide Personen sich bereits in einem Loch verstecken, der Hund also bereits graben muss. In Phase vier muss der Hund nach erfolgreicher Suche über seinen Herrn hinwegklettern, um sich bei der fremden Person seine Belohnung abzuholen. Erst in Phase fünf übernimmt der Hundeführer sein Tier selbst, um nach einer fremden Person zu suchen. „Innerhalb einer halben Stunde kann so aus einem unausgebildeten Hund ein A-Hund gemacht werden“, sagt Staffelleiter Walter Lang. Vertrauen in seinen Herrn und die Belohnung in Form eines Hundekuchens sind wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Ausbildung.

Vermisstensuche in Indien

Für den Bergwachtarzt Dr. Ralf Kaukewitsch ist „Lilly“ bereits der dritte Lawinenhund. Rund 15.000 Euro hat der Marktschellenberger in fünf Jahren für seine Tiere ausgegeben, schließlich muss der Hundeführer für die Anschaffung, den Tierarzt und das tägliche Futter tief in die Tasche greifen. Da schlagen das jährliche Futtergeld von 250 Euro, das die Bergwacht dem Lawinenhundeführer bezahlt, und die teilweise übernommenen Tierarztkosten kaum zu Buche. Warum entscheidet man sich dennoch für die schwierige Aufgabe als Hundeführer? „Dafür gibt es keine vernünftigen Gründe. Entweder man hat es im Bauch oder nicht“, sagt Ralf Kaukewitsch. Und Staffelleiter Walter Lang fügt hinzu: „Ohne die gute Kameradschaft untereinander wäre wohl die Hälfte schon nicht mehr da“.
Den Zusammenhalt der Hundeführer spürte man besonders im vergangenen Jahr beim Eishallenunglück in Bad Reichenhall. Spätestens seit diesem besonders anstrengenden Einsatz weiß die Bevölkerung, dass die Hunde der Lawinenhundestaffel nicht nur bei Lawinenunglücken einsetzbar sind. „Noch viel öfter werden wir zu Vermisstensuchen gerufen“, erzählt Walter Lang. So war der junge Berchtesgadener Hundeführer Andi Baumann, der als einziges Mitglied der Staffel über die Rettungshundeprüfung für Auslandseinsätze verfügt, mit seinem „Benno“ gar einmal in Indien zum Sucheinsatz. Von dem vermissten Osnabrücker Pfarrer fand man allerdings nur einige Spuren. Man geht davon aus, dass der Geistliche in einem Gebirgsbach ertrunken ist. „Bei solchen Einsätzen macht sich dann unsere Sommerausbildung in der Gebirgsflächensuche bezahlt“, sagt Andi Baumann, der nun selbst Ausbilder werden soll. Durch interne Fortbildungen und Besuche bei anderen Hundestaffeln soll er das dafür notwendige Know How bekommen.

Mensch und Tier an der Hubschrauber-Winde

Um Fortbildung in Praxis und Theorie geht es auch bei diesem Lehrgang auf der Reiteralpe. Da stehen im Lenzenkaser III der Bundeswehr, wo die Bergwachtmänner die Woche über untergebracht sind, Referate über Risikomanagement und Teamfähigkeit auf dem Programm, am Abend vor der Hubschrauberübung bekommen alle Hundeführer eine Sicherheitseinweisung Luftrettung. So ist man bestens gewappnet, als am nächsten Tag die Polizeimaschine bei schönstem Wetter auf der Reiteralpe eintrifft. Jetzt muss jeder Handgriff sitzen. Andi Baumann hilft seinem Kameraden Ralf Kaukewitsch beim Anpassen des Gurts für seine „Lilly“. Denn dicht aneinandergeschnallt, hängen Mensch und Tier anschließend an der Winde des Hubschraubers. Von den Handzeichen bis zum Funkkontakt, vom Umgang mit den Karabinern bis zur exakten Sicherung in der Maschine wird alles bis ins Detail geübt. Zur Freude der Bergwachtmänner hat man kürzlich die Standards in der Luftrettung vereinheitlicht. So fallen für die Luftretter nun in allen Maschinen dieselben Handgriffe an.
Als die Hundeführer mit ihren Tieren nach einer Woche diese Klausur der besonderen Art beenden, macht sich ein gutes Gefühl breit. „Wir wissen, dass unser Ausbildungsstand sehr gut ist. Dafür leistet jeder seinen Beitrag“, sagt Walger Lang. Nicht ohne Stolz wird man deshalb am nächsten Wochenende das 50-jährige Jubiläum der Lawinen- und Suchhundestaffel der Bergwacht-Region Chiemgau feiern.



„Lasso“
„Lasso“ wird auf dem „Lawinenfeld“ in kürzester Zeit fündig, Hundeführer Michael Partholl kann per Funk die Schaufler anfordern.