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Verfasser: Markus Leitner, aktualisiert am 25.1.07 um 19:22 Uhr

Mit einem geschenkten Schäferhund-Welpen fing 1957 alles an

BERCHTESGADENER LAND/ LANDKREIS TRAUNSTEIN (ml) – Seit 50 Jahren gehen Bergwachtmänner und Hunde im Chiemgau zu jeder Zeit und bei jedem Wetter ans Limit, wenn Menschen verschüttet oder in den Bergen vermisst werden. Bei einem Festakt in Schönau am Königssee feierten die ehrenamtlichen Retter nun ein halbes Jahrhundert regionale Lawinenhundearbeit. Neben Landtagspräsident und Bergwacht-Chef Alois Glück gratulierten auch Landrat Georg Grabner und die Kollegen befreundeter Einsatzorganisationen zum runden Jubiläum.

„Ohne Unterstützung und Verständnis der Familie wäre dies alles nicht möglich“, erklärte der stellvertretende Staffelleiter Michael Partholl. Bis zu 25 Tage pro Jahr sind allein für Übung und Ausbildung notwenig. Hinzu kommt das tägliche Training Zuhause. Aktuell gehören 15 Hundeführer mit ihren Tieren zum Team, das ständig durch die erfahrenen Ehemaligen unterstützt wird. Gut riechen können Hunde von Geburt an. Was sie aber suchen sollen, müssen sie Schritt für Schritt lernen. Bei der rund dreijährigen Ausbildung zum Suchhund wird vor allem der Spieltrieb der Tiere genutzt.

Von den ständig steigenden Ansprüchen im Bergrettungsdienst sprach Landtagspräsident und Bergwacht-Vorsitzender Alois Glück. Dank angepasster Strukturen und modernisierter Ausbildungsrichtlinien könne die Bergwacht-Bayern aber mittlerweile gut mit anderen Organisationen mithalten. Ehrenamt und professionelle Arbeit würden sich dabei nicht ausschließen. Die Experten der Lawinen- und Suchhundestaffel Chiemgau übernehmen gerade bei schwierigen und gefährlichen Einsätzen eine wichtige Funktion. Glück: „Wir sind stolz auf euch und danken euch herzlich!“

Mit einem geschenkten Schäferhund-Welpen aus Salzburg fing 1957 alles an. Der Teisendorfer Bergwacht-Mann Lenz Willberger eignete sich als Pionier seine Grundkenntnisse im Schäferhundeverein an und nahm nach intensivem Training mit seinem Hund Gangerl an zwei Tiroler Lawinenhundekursen teil. 1960 wurde Lenz Willberger zum ersten Lawineneinsatz im Hagengebirge in den Berchtesgadener Alpen gerufen. Zwei amerikanische Hubschrauber brachten 26 Mitglieder der Bergwacht mit Lawinenhunden zur Einsatzstelle. Nachdem Polizisten zuvor vergeblich gesucht hatten, fand Gangerl den toten 19-jährigen Skifahrer nach fünf Minuten unter einer ein Meter dicken Schneedecke.

Bergwacht-Regionalleiter Thomas Küblbeck ist für 15 Bereitschaften in den Landkreisen Berchtesgadener Land und Traunstein zuständig, die pro Jahr zu rund 700 Einsätzen gerufen werden. Zur selbständig geführten Lawinen- und Suchhundestaffel Chiemgau gehören Bergwachtmänner aus der gesamten Region. Im Ernstfall ist so immer ein Hundeführer relativ rasch vor Ort und kann im Bedarfsfall durch nachrückende Helfer unterstützt werden. Das Einsatzspektrum setzt sich aus der Vermisstensuche am Berg, der Suche bei widrigstem Wetter auf der Lawine, zivilen Katastrophen, aber auch Auslandseinsätzen wie jüngst in einer Höhle in Nordindien oder beim Erdbeben in Pakistan zusammen. „Obwohl sie rein ehrenamtlich tätig sind, standen unsere Hundeführer einen halben Tag nach der ersten Anforderung durch das DRK zum Abflug in München bereit“, berichtete Küblbeck stolz, der den gefragten Spezialisten ein besonderes Geburtstagsgeschenk überreichen konnte: 20 artgerechte Hundeboxen werden für das Ausbildungsgelände auf der Reiter Alpe gekauft. Staffelleiter Walter Lang zeigte sich begeistert.

„Wir denken mit Grauen an den 2. Januar letzten Jahres zurück. Unvorstellbar, wenn wir euch da nicht gehabt hätten“, lobte Landrat Georg Grabner, der auch an das fünfjährige Mädchen erinnerte, das als letztes lebendes Opfer von einem Bergwacht-Suchhund unter den Trümmern der eingestürzten Eishalle aufgespürt wurde. „Das Kind wäre nicht mehr auf dieser Welt, wenn ihr nicht geholfen hättet. Als Teisendorfer freut es mich besonders, dass die regionale Lawinenhundearbeit bei Lenz Willberger ihren Anfang hatte. Schön, dass du heute unter uns bist, Lenz.“

Polizeihauptkommissar Klaus Petersik, Rettungshubschrauberpilot bei der Bundespolizei-Fliegerstaffel Süd, blickte in seinem Grußwort auf gemeinsame Einsätze und Übungen der Lawinenhundestaffel mit dem Traunsteiner Rettungshubschrauber „Christoph 14“ zurück. „Die Hunde haben sich mittlerweile ans Außenlastfliegen und an den Abwind gewöhnt.“ Einen besonders schweren Einsatz mussten die Helfer im März 1992 an der Hörndlwand bei Ruhpolding bewältigen: Vier Menschen wurden von einer Lawine verschüttet. „Ohne beste Ausbildung und fundierte Ortskenntnisse der Bergwacht-Helfer hätten wir keine Chance gehabt“, erklärte Petersik in der Rückschau, der in den 80er Jahren von Bergrettungswache zu Bergrettungswache gezogen war, um die Helfer auf die Zusammenarbeit mit dem Hubschrauber zu schulen.

„Unser Lenz Willberger schaufelt bei den Lawinenhundekursen auf der Reiter Alpe noch immer wie ein Maulwurf“, lobte Kurt Becker, der acht ehemalige Hundeführer zur Entstehung und Geschichte der Staffel befragte. Lenz Willberger war der erste Hundeführer der Bergwacht im Chiemgau. Obwohl er selbst keinen Hund mehr hat, arbeitet der heute 83-Jährige noch immer als Helfer bei den Winterkursen auf dem Hochplateau der Reiter Alpe mit. Mit kuriosen Geschichten aus dem Alltag der Lawinenhundestaffel sorgten die Ehemaligen für beste Unterhaltung im Festsaal.
Hundeführer und Archivar Rupert Erber berichtete mit Bildern und alten Aufzeichnungen aus der Staffelchronik. In ihrer 50-jährigen Geschichte konnten die ehrenamtlichen Retter viel Gutes leisten, mussten aber auch sehr viele gefährliche und schwierige Einsätze bewältigen. Internationale Kontakte nach Kanada wurden geknüpft und ermöglichten gegenseitige Besuche bei den Winterkursen. Trotz der oft dramatischen Einsätze geht es in der Lawinenhunde-Familie nicht immer nur ernst zu, wie Kurt Becker und Helmut Lutz bewiesen: Verkleidet als Abgesandte einer befreundeten Rettungshundestaffel aus dem Kaukasus überbrachten sie in einer schauspielerischen Meisterleistung „hochmoderne“ Gastgeschenke an Hundeführer Michael Partholl, der in Zukunft mit seinem neuen „Putin-Phon“ und einer modischen Pelzhaube ausgestattet noch leistungsfähiger in den Einsatz gehen soll. Stimmungsvoll endete der offizielle Teil des Festabends beim gemeinsamen Singen des Lawinenhundeführer-Lieds.

Der
Der erste Lawinenhundeführer im Chiemgau, Lenz Willberger, Landtagspräsident und Bergwacht-Vorsitzender Alois Glück, Bergwacht-Regionalleiter Thomas Küblbeck, der Leiter der Lawinen- und Suchhundestaffel Chiemgau, Walter Lang und Dr. Ralf Kaukewitsch mit seiner Lawinenhündin Lilly (von rechts).
Lawinenhundeführer
Lawinenhundeführer Kurt Becker (links) sprach mit ehemaligen Hundeführern über die Geschichte und Entstehung der Staffel: Anton Piatke, Lenz Willberger, Peter Grassl, Rupert Seeböck, Konrad Binek, Hans Kastner, Jakob Zuck und Hans Lohner (von links).


Hundeführer
Hundeführer Helmut Lutz und Kurt Becker (von links) spielten die Vertreter einer befreundeten Rettungshundestaffel aus dem Kaukasus: Der stellvertretende Leiter der Lawinenhundestaffel Chiemgau, Michael Partholl (rechts) freut sich über hochmoderne Gastgeschenke.
Als
Als Ehrengast nahm Landtagspräsident und Bergwacht-Vorsitzender Alois Glück an der Veranstaltung teil.