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Verfasser: Markus Leitner, Thomas Hörl, aktualisiert am 5.2.07 um 01:03 Uhr

Helfer testen neues Rettungskonzept auf seine Praxistauglichkeit

BAYERISCH GMAIN (ml) – Bei einer Großübung rund um einen neuen Gebäudekomplex auf dem Gelände der Behinderteneinrichtung „Haus Hohenfried“ in Bayerisch Gmain testeten Einsatzkräfte von Feuerwehr und Rotem Kreuz am vergangenen Wochenende die Zufahrts- und Rettungswege sowie die neu gestaltete Löschwasserversorgung auf ihre Praxistauglichkeit. „In nur wenigen Wochen werden hier 60 Behinderte mit ihren Betreuern einziehen, was für uns im Ernstfall eine besondere Herausforderung darstellt. Falls etwas passiert, wollen wir vorbereitet sein“, erklärt der Bayerisch Gmainer Feuerwehrkommandant Thomas Hörl. Was die Helfer erwartete, war durchaus realistisch: Bei Fußbodenverlegarbeiten bricht im Keller ein Brand aus. Nach nur kurzer Zeit ist das Gebäude verraucht und ein Teil der Fluchtwege abgeschnitten.

Das wirklichkeitsnah gestaltete Szenario hatte eine Planungsgruppe der Feuerwehr Bayerisch Gmain in Zusammenarbeit mit dem Team für Realistische Unfall- und Notfalldarstellung des Jugendrotkreuzes gekonnt in Szene gesetzt: Verrauchte Zimmer und Treppenhäuser, 47 zum Teil gut versteckte Betroffene, darunter sechs mit schweren Rauchgasvergiftungen und Brandverletzungen. „Die sind ja täuschend echt geschminkt“, lobte Notarzt Dr. Franz Leipfinger, der am Behandlungsplatz im Nebengebäude die medizinische Erstversorgung leitete. Die Tatsache, dass Behinderte bei Notfalleinsätzen in der Regel mehr Betreuung als reguläre Patienten brauchen, bringt für die Helfer bei echten Einsätzen zusätzliche Schwierigkeiten mit sich. Am vergangenen Samstag schlüpften aber zum Teil Mitglieder der Jungendfeuerwehr und des Jugendrotkreuzes in die Rolle der Hausbewohner, denen unnötige Aufregung erspart bleiben sollte.

Kurz nach 13 Uhr rücken 100 Helfer der Freiwilligen Feuerwehren Bayerisch Gmain, Bad Reichenhall, Großgmain und Wals sowie 17 Sanitäter und ein Notarzt der BRK-Schnell-Einsatz-Gruppen (SEG) Bad Reichenhall und Berchtesgaden zum inszenierten Großeinsatz aus und trainieren ihr Zusammenspiel am bisher unbekannten Übungsobjekt. Die Feuerwehrmänner sind in den ersten Minuten doppelt gefordert: Über mehrere Eingänge müssen die Atemschutztrupps ins vernebelte Haus vordringen und die vielen Betroffenen und Verletzten möglichst rasch ins Freie retten, denn die Konzentration der giftigen Gase nimmt immer weiter zu. Gleichzeitig erfolgt der Löschangriff, sodass rund 50 Minuten später die Meldung „Feuer aus!“ bei der Einsatzleitung eingeht. „Die Retter orientieren sich bei starkem Rauch nahezu blind im Gebäude. Deshalb brauchen wir im Vorfeld genaue Pläne der Häuser, auf denen auch die Rettungswege eingezeichnet sind“, erklärt Kommandant Thomas Hörl, der die Arbeiten vom Fahrzeug der „Unterstützungsgruppe Örtliche Einsatzleitung“ aus koordiniert und verfolgt. Eine neue Druckerhöhnungsanlage liefert bei Bedarf bis zu 1.600 Liter Löschwasser pro Minute und löst einen alten Hochbehälter ab.

Während weitere Helfer versuchen, die Treppenhäuser zu belüften, werden zwei Drehleiterkräne in Stellung gebracht, um eingeschlossene Bewohner aus den Obergeschossen zu retten. Die evakuierten Menschen werden nach einer ersten Sichtung direkt in ein beheiztes Nebengebäude überstellt, wo SEG-Leiter Heinz Sandner mit seiner Rotkreuz-Mannschaft einen Behandlungsplatz eingerichtet hat. Sandner: „Alternativ haben wir aufblasbare und beheizbare Zelte, falls keine feste Unterkunft in unmittelbarer Nähe zur Verfügung steht.“ Tragetrupps der Feuerwehr bringen laufend neue Verletzte und Betroffene, die Notarzt Dr. Leipfinger kurz untersucht und dann weiter behandeln lässt. Die Sanitäter bringen die Unverletzten in einem Nebenraum unter und registrieren die wichtigsten Daten, die sie laufend mit einer Liste der Einrichtungsleitung vergleichen. Nach rund einer Stunde ist es gewiss: Trotz guter Verstecke konnten die Atemschutzträger alle 47 Bewohner retten. Niemand geht ab. Im Ernstfall wären die schwer Verletzten bereits auf dem Weg ins Krankenhaus – die Unfallmimen aber wischen sich die Schminke aus dem Gesicht und freuen sich auf die Brotzeit, die Einrichtungsleiter Stephan Weber vorbereiten ließ.

Während der vergangenen 60 Minuten hatten auch die Rotkreuz-Retter alle Hände voll zu tun. Einsatzleiter Florian Halter zieht ein erstes Resümee: „Bei so vielen Betroffenen und Verletzten hätten wir im Realfall weitaus mehr SEG´en im Einsatz. Zusätzlich wäre der reguläre Rettungsdienst mit einem Großaufgebot und mehreren Notärzten mit vor Ort. So mussten wir halt oft improvisieren, was sicher ein gutes Training ist.“
Interessiert verfolgten auch die Vertreter der Kreisbrandinspektion und Bürgermeister Hans Hawlitschek den Übungsablauf. Feuerwehrkommandant Thomas Hörl ist mit den Ergebnissen weitgehend zufrieden: „Haus Hohenfried ist mit seinen 175 Bewohnern und den vielen Gebäuden ein kleines Dorf. Umso wichtiger ist es, dass alle Einsatzkräfte genaue Ortskenntnisse haben und im Notfall auch auf aktuelles Kartenmaterial zurückgreifen können. Wir werden unsere Pläne dementsprechend anpassen.“ 15 Feuerwehr- und fünf Sanitätsfahrzeuge waren beim einstündigen Übungseinsatz vor Ort. Ohne die im Vorfeld verbreiterten Anfahrts- und Abfahrtswege hätten sie sich im Ernstfall gegenseitig blockiert oder das Gebäude überhaupt nicht erreicht.

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Die evakuierten Menschen werden nach einer ersten Sichtung direkt in ein beheiztes Nebengebäude überstellt, wo SEG-Leiter Heinz Sandner mit seiner Rotkreuz-Mannschaft einen Behandlungsplatz eingerichtet hat.




Tragetrupps
Tragetrupps der Feuerwehr bringen laufend neue Verletzte und Betroffene, die Notarzt Dr. Leipfinger kurz untersucht und dann weiter behandeln lässt.
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Die Sanitäter bringen die Unverletzten in einem Nebenraum unter und registrieren die wichtigsten Daten, die sie laufend mit einer Liste der Einrichtungsleitung vergleichen.