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Verfasser: Markus Leitner, aktualisiert am 14.3.07 um 09:59 Uhr

Schneereicher Winter und schwere Bergunfälle forderten die Helfer

BAD REICHENHALL (ml) – Mit insgesamt 71 Alarmierungen hatte die Bergwacht-Bereitschaft Bad Reichenhall im vergangenen Jahr mehr zu tun als jemals zuvor. Die 59 Aktiven blickten bei ihrer Jahreshauptversammlung im Rotkreuz-Haus auf ein arbeitsreiches und ereignisreiches Jahr mit vielen schweren Bergunfällen und insgesamt 227 Diensten und Ausbildungsterminen zurück. Bei Veranstaltungen wie dem Alpinrecht-Symposium und mit Innovationen wie dem Drehleiter-Seilzug-System konnten die Ehrenamtlichen Maßstäbe für die Zukunft des Bergrettungsdienstes setzen.

„Rund jeder zweite Alarm im Jahr 2006 war ein Bergrettungseinsatz. Zusätzlich wurden wir unter anderem zu drei Suchaktionen, drei Lawineneinsätzen und acht Sondereinsätzen gerufen, darunter auch der Eishallen-Einsturz und die Schneeräumaktion auf den Reichenhaller Hausdächern“, berichtete der stellvertretende Bereitschaftsleiter Urs Strozynski, der die von Bergwachtmann Christian Schieder vorbereitete Statistik präsentierte. Im Gegensatz zu den Vorjahren hatten die Ehrenamtlichen während der schneereichen Wintermonate fast genauso viel zu tun wie im Sommer, weshalb sich die Einsätze gleichmäßig übers Jahr verteilten. Am meisten Arbeit hatten die Retter mit 23 Alarmierungen im Lattengebirge, gefolgt vom Staufen (17), der Reiter Alpe (15), dem Ristfeuchthorn (2) und dem Zwiesel (2). Elfmal musste die Bergwacht auch bei Notfällen im Tal Hilfe leisten. Strozynski: „In 17 Fällen wurde ein Hubschrauber benötigt. Größtenteils arbeiteten wir mit dem Team des „Christoph 14“ aus Traunstein zusammen.“ Zusätzlich mussten die Ehrenamtlichen viele Sportveranstaltungen betreuen und Dienst am Götschenlift leisten.

Aktuell engagieren sich bei der Reichenhaller Bergwacht vier Hundeführer, 13 Anwärter und drei Ärzte. Ein vierter Arzt ist Anwärter. 15 Retter verfügen über die Qualifikation des Einsatzleiters. Der Jugendgruppe gehören acht Freiwillige an. Auch die Frauen sind weiter auf dem Vormarsch: Die erste Anwärterin hat erfolgreich die Winterprüfung abgelegt. „Wir haben die Reformen der Bergwacht-Bayern weiter umgesetzt, mit Schulungen und Fortbildungen das Einsatzleiter-Konzept optimiert und die Zusammenarbeit mit den Bergwacht-Bereitschaften Freilassing und Teisendorf-Anger im Einsatzleitbereich Saalachtal ausgebaut“, berichtete Bereitschaftsleiter Franz Schöndorfer. 2007 soll die Bergwacht-Hütte weiter saniert und der Einsatzraum ausgebaut werden, um mehr Platz für Ausrüstungsgegenstände zu schaffen, wobei die Freiwilligen auf finanzielle Unterstützung aus der Bevölkerung angewiesen sind.


Franz Schöndorfer dankte den vielen Förderern und aktiven Helfern für ihren Einsatz, sprach aber auch kritische Worte: „Parallel zum Benefiz-Konzert des Gebirgsmusikkorps Garmisch-Partenkirchen fand im vergangenen Jahr eine Parallelveranstaltung im Kurpark statt, was uns viele Eintritte gekostet hat.“ Zudem sei die Saalmiete so hoch, dass im Vergleich zu den Vorjahren nur noch ein Bruchteil der Einnahmen für die Bergwacht übrig blieb. Schöndorfer: „Für wen spielt das Korps also? Für die Bergwacht oder die Kur-GmbH?“ Schöndorfer bemängelte auch, dass zu den letzten Konzerten nie ein Vertreter der Stadt oder der Kur-GmbH gekommen sei. Dahinter stecke aber ganz sicher kein böser Wille, beteuerte Oberbürgermeister Dr. Herbert Lackner in seinem Grußwort. 2007 werde man das Konzert im Stadtmagazin bewerben und sich bei der Organisation besser absprechen. Lackner lobte den großen Erfolg des Alpinrecht-Symposiums, das 2007 wieder in Reichenhall stattfinden soll und lud die Ehrenamtlichen zur nächsten Biathlon-Veranstaltung nach Ruhpolding ein.

„Bei 100 Aus- und Fortbildungsterminen haben wir 2006 unsere Mitglieder geschult, darunter 15 Termine für die Anwärter und 21 Übungen der Lawinenhundeführer“, erklärte Ausbildungsleiter Hans Lohwieser. Mit vielen interessanten Bildern visualisierte er das breite Aufgabenspektrum der Reichenhaller Bergwacht. Schwerpunkte waren 2006 ein Winterkurs am Predigtstuhl, Rettungsübungen im Klettersteig, eine Sommerübung an der Hörndlwand bei Ruhpolding, Seilbahn-Bergungen am Götschen und am Predigtstuhl, Schulungen mit dem neuen Drehleiter-Seilzug-System und die Einführung des variablen Taus bei Hubschrauber-Bergetau-Einsätzen. Lohwieser: „In der kommenden Woche werden wir mit dem variablen Tau am neuen Traunsteiner Rettungshubschrauber trainieren. Danach können wir das System auch bei echten Einsätzen verwenden.“ Der Bergwacht-Luftretter oder der Notarzt können sich in Zukunft mit einem Abseilgerät unterhalb der Maschine schnell und punktgenau auf die gewünschte Taulänge abseilen und so gezielt die Einsatzstelle erreichen. Bisher konnte nur der Pilot durch Bewegung des Hubschraubers den am Fixtau hängenden Retter zur Unfallstelle ablassen.

Kassenwart Werner Thaler berichtete von vielen wichtigen Neuanschaffungen: Rund 41.000 Euro an Einnahmen mussten 2006 unter anderem für Einsatzkleidung, Funkhelme, neue Karabiner, Statikseile, Flaschenzüge, Lawinenpiepser und medizinisches Gerät ausgegeben werden. Zwei neue GPS-Geräte in den Einsatzfahrzeugen vereinfachen die Orientierung auf den Forststraßen. Zusätzlich schlugen Fahrzeug-Unterhalt, Versicherungen und die Sanierung der Bergwacht-Hütte zu Buche. Aufgrund von Personalzuwachs mussten die Helfer weiteres Mobiliar fürs Bergwacht-Stüberl kaufen. Mittlerweile verfügen die Reichenhaller Bergwachtler über zwölf eigene Lawinenairbags, sieben davon wurden im vergangenen Jahr gekauft. Einer davon wurde bei einer Übung gestohlen. Da die Airbags aber bei Lawineneinsätzen für die Sicherheit der Helfer unverzichtbar sind, sucht Bereitschaftsleiter Franz Schöndorfer nun dringend einen Sponsor zur Ersatzbeschaffung.

Für 50 und 25 Jahre aktive Mitarbeit in der Bergwacht wurden Fritz Eberlein und Hermann Diezinger ausgezeichnet. Bezirksrätin Christa Gschwendtner gratulierte den Geehrten und dankte den Ehrenamtlichen im Namen des Landrats vor allem für ihren Einsatz beim Eishallen-Einsturz. „Wenn die Zusammenarbeit unter den Organisationen überall in Bayern genauso gut wie bei uns in Reichenhall wäre, würde es keine Sorgen geben. Bei vielen Einsätzen wären wir ohne euch aufgeschmissen“, lobte Polizeichef Wilhelm Bertlein. Auch Bergwacht-Regionalleiter Thomas Küblbeck dankte den Helfern für ihre Arbeit: „Den Pidinger Klettersteig habt ihr fest im Griff und euer Hans Lohwieser ist ein Schwergewicht im Ausbildungsteam der Bergwacht Chiemgau. Da merkt man, dass Bergrettung nicht nur in Berchtesgaden stattfindet.“

Bereitschaftsleiter
Bereitschaftsleiter Franz Schöndorfer (Mitte) und sein Stellvertreter Urs Strozynski (rechts) zeichneten Fritz Eberlein für ein halbes Jahrhundert aktive Mitarbeit in der Bergwacht des Bayerischen Roten Kreuzes aus. Fritz Eberlein ist vor allem für sein großes Engagement im Naturschutz bekannt, bringt aber nach wie vor auch sein Wissen und seine Fähigkeiten bei Bergrettungseinsätzen mit ein.
Bergwacht-Bereitschaftsleiter
Bergwacht-Bereitschaftsleiter Franz Schöndorfer.
Ausbildungsleiter
Ausbildungsleiter Hans Lohwieser.
Bad
Bad Reichenhalls Oberbürgermeister Dr. Herbert Lackner.
Bergwacht-Regionalleiter
Bergwacht-Regionalleiter Thomas Küblbeck.