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Verfasser: Markus Leitner, aktualisiert am 19.9.07 um 15:24 Uhr

Erwin Patzelt wurde von der BRK-Wasserwacht mit einem Frühdefi wiederbelebt – sein Leben hat sich seitdem grundlegend verändert

BAD REICHENHALL/AUFHAM/WAGING (ml) – Am 5. Mai 2007 war Erwin Patzelt aus Waging am See tot; vor wenigen Tagen bedankte er sich bei seinen Rettern von der BRK-Wasserwacht-Ortsgruppe Bad Reichenhall, die ihn nach einem Kreislaufstillstand beim Tennisspielen in Aufham per Frühdefi (AED) erfolgreich wiederbelebt hatten.

Bei einem Amateur-Punktspiel des TC Waging gegen Aufham brach Erwin Patzelt plötzlich nach halbstündiger Spielzeit beim Seitenwechsel mit einem Herz-Kreislaufstillstand leblos zusammen. Da die Rettungskette von schnellen Ersthelfern, über den Rettungsdienst bis hin zum Krankenhaus optimal funktionierte, hat der 49-Jährige heute weder neurologische Schäden noch einen Defekt am Herzgewebe. Im Gegenteil: Aufgrund der einschneidenden Erfahrungen lebt der Waginger nun wesentlich gesünder als vor seinem schweren Herzinfarkt. Er hat aufgehört zu rauchen, ernährt sich gesund, arbeitet stressfreier und ist sich stets bewusst, wie schnell alles vorbeisein kann. „Früher brauchte ich am Tag eine Schachtel Zigaretten; heute hab ich keine Lust mehr darauf“, sagt er gelassen. „Kleinigkeiten, über die ich mich zuvor geärgert habe, sind nun bedeutungslos“, erklärt seine Lebensgefährtin Christa Straub. Die kleinen Probleme im Leben belasten das Paar heute kaum noch; beide leben cooler.

Siegfried Hauber, Technischer Leiter der Kreis-Wasserwacht Berchtesgadener Land erzählt, was am 5. Mai 2007 genau passiert war: „Wir führten gerade unsere Frühdefi-Fortbildung in den Schulungsräumen der Firma Abel in Aufham durch, als uns die Rettungsleitstelle um 14.48 Uhr per Alarm auf den Funkmeldeempfänger zu den Tennisplätzen hinter dem Freibad schickte. Wir sollten bis zum Eintreffen des rund zehn Minuten entfernten Rettungswagens aus Bad Reichenhall die Erstversorgung einer bewusstlosen Person übernehmen. Da wir uns am Morgen über Funk angemeldet hatten, wusste der Disponent, dass wir uns in direkter Nachbarschaft aufhielten; ein lebensrettender Zeitvorteil für den Patienten. Günter Eisenschink, mein Bruder Wolfgang und ich fuhren mit dem Wasserwacht-Fahrzeug die wenigen Meter bis zur Einsatzstelle, wo die Tenniskollegen bereits vorbildlich mit der Laienreanimation begonnen hatten. Nach nur 24 Sekunden war unser Frühdefi angeschlossen und gab den ersten Elektroschock ab, woraufhin Erwin Patzelts Herz wieder unregelmäßig zu schlagen anfing. Mit einer Beatmungshilfe, dem so genannten Larynx-Tubus, konnten wir von Beginn an eine optimale Sauerstoffversorgung sicherstellen, was mitunter dazu beitrug, dass Herr Patzelt keinerlei Hirnschäden davontrug.“

Wasserwacht, Notarzt und Rettungsassistenten setzen die eingeleiteten Maßnahmen am Einsatzort und auf der Fahrt zum Kreiskrankenhaus Bad Reichenhall fort; in weiterer Folge stellt sich einen Spontankreislauf beim Patienten ein. Nach rund 15-minütiger medizinischer Behandlung im Krankenhaus kann Erwin Patzelt im stabilen Zustand mit dem Rettungshubschrauber „Christoph 14“ zur Kardiologie des Klinikums Traunstein verlegt werden, wo er weiter intensivmedizinisch versorgt wird. Nach fünf Tagen im Koma wacht er am Freitag auf und bleibt bis zum darauffolgenden Montag auf der Intensivstation. Nach einer weiteren Woche auf der internen Normalstation wird er nach Hause entlassen und tritt am Mittwoch drauf seine vierwöchige Reha in Großgmain an. Nach acht Wochen geht er wieder zur Arbeit.

Die behandelnden Ärzte sind von der raschen Genesung überrascht und können keine bleibenden Hirn- oder Herzschäden feststellen. „Wenn ich nicht wüsste, dass sie einen schweren Herzinfarkt hatten, könnte ich im Ultraschall nichts feststellen“, meint eine Kardiologin in der Nachuntersuchung. Da er nach seinem Zusammenbruch lange Zeit bewusstlos war, kann er sich bis heute nicht an die Ereignisse an der Einsatzstelle erinnern. Seine Freunde berichten, dass er beim Seitenwechsel ohne Vorankündigung von einer Bank sitzend nach vorne weggekippt war. „Beim Sturz auf den Boden habe ich mir die Zähne eingeschlagen und den Sand vom Tennisplatz eingeatmet, weshalb ich auf der Intensivstation auch eine Lungenentzündung bekommen habe.“ Die hat Erwin Patzelt aber gut überstanden. Obwohl er derzeit mehrere Medikamente nehmen muss, die das Risiko für einen Reinfarkt minimieren, ist er positiv gestimmt: „Die Tabletten darf ich voraussichtlich im Dezember alle absetzen. Und ein paar Pillen sind das kleinere Übel; ich könnte jetzt genauso gut tot sein. Ich möchte mich bei allen, die an meiner Rettung beteiligt waren, von ganzem Herzen bedanken. Ohne die schnelle Hilfe wäre ich heute nicht mehr hier oder hätte bleibende Hirnschäden davongetragen. Ich hatte ein riesiges Glück; das war wie ein Sechser im Lotto!“

Wasserwacht-Ortsgruppenvorsitzender Rainer Moltke lud Erwin Patzelt, seine Lebensgefährtin Christa Straub und das Wasserwacht-Rettungsteam vor wenigen Tagen zu einem Besuch ins Reichenhaller Rotkreuz-Haus ein und stellte Ausrüstung und Arbeitsweise seiner BRK-Gemeinschaft vor. Moltke: „Keiner wünscht sich einen Kreislaufstillstand. Sollte ein solcher Notfall aber dennoch passieren, dann bitte mit den vielen glücklichen Umständen, die dazu beigetragen haben, dass Erwin Patzelt heute gesund vor uns steht.“

Umso mehr Ersthelfer sofort mit der Herzdruck-Massage und Atemspende beginnen, umso höher ist die Zahl derer, die einen Kreislaufstillstand ohne bleibende Schäden überleben. „Wichtig ist, dass man überhaupt hilft. Der einzige wirkliche Fehler, den ein Laie machen kann, besteht darin, nichts zu tun“, erklärt BRK-Notarzt Dr. Andreas Weißmann. Mit einem in unmittelbarer Nähe verfügbaren Frühdefi kann der Patient sogar durch die Ersthelfer ins Leben zurückgeholt werden. Ziel des Roten Kreuzes ist es, dass in naher Zukunft durch ein flächendeckendes Netz aus Frühdefis und geschulten Ersthelfern die Überlebenschance betroffener Patienten weiter steigt. Die Termine der aktuellen Erste-Hilfe-Kurse im Berchtesgadener Land findet man im Internet unter www.brk-bgl.de.

Erwin
Erwin Patzelt (Zweiter von rechts) wurde von der BRK-Wasserwacht mit einem Frühdefi wiederbelebt. Vor wenigen Tagen bedankte er sich bei seinen Rettern Siegfried Hauber (links) und Günter Eisenschink. Wasserwacht-Ortsgruppenvorsitzender Rainer Moltke (rechts) lud Retter und Geretteten ins Reichenhaller Rotkreuz-Haus ein und stellte Ausrüstung und Aufgaben seiner BRK-Gemeinschaft vor.
Als
Als Erinnerung an den Tag, der sein Leben verändert hat, überreichte Wasserwacht-Ortsgruppenvorsitzender Rainer Moltke (rechts) Erwin Patzelt eine Miniaturausführung des Bad Reichenhaller Wasserwacht-Einsatzfahrzeugs im Maßstab 1:87.