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Verfasser: Markus Leitner, aktualisiert am 22.11.07 um 17:11 Uhr

Zweitägiges Symposium „Alpine Sicherheit“ mit Justizministerin Dr. Beate Merk

BAD REICHENHALL (ml) – Speziell dem Thema Klettersteige widmete sich das zweitätige Symposium „Alpine Sicherheit 2007“, bei dem Experten von Bergwacht, Bergführerverband, Bundeswehr, DAV, Justiz und Polizei bereits zum zweiten Mal in Bad Reichenhall zu aktuellen Fragen des Alpinrechts und Tendenzen in der Ausbildung und Ausrüstungsentwicklung referierten. Wie bereits im Vorjahr sprach Justizministerin Dr. Beate Merk als Schirmherrin des Symposiums das Grußwort. Hochkarätige Referenten wie der Alpin-Sicherheitsexperte Pit Schubert berichteten in ihren Vorträgen über Gefahren im Klettersteig und aktuelle Rechtsentwicklungen.

Als Organisatoren begrüßten Oberbürgermeister Dr. Herbert Lackner und der stellvertretende Kommandeur der Gebirgsjägerbrigade 23, Oberstleutnant Peter Utsch die geladenen Gäste im Alten Kurhaus. Das Symposium habe 2006 bereits gewichtige Akzente gesetzt und solle nun als Forum für den fachlichen Austausch zu mehr Handlungssicherheit in der Ausbildung und im Rettungseinsatz beitragen, sagte Lackner. Im Rahmen der Veranstaltung fand auch eine Rettungsübung im neu eingerichteten Übungsklettersteig am Wachterl statt, über die wir in der morgigen Ausgabe gesondert berichten. Justizministerin Dr. Beate Merk zeigte sich in ihrem Grußwort beeindruckt von Teamgeist und Professionalität in der Bergrettung und würdigte die hohe Verantwortung der Einsatzleiter, die oft in Sekundenschnelle Entscheidungen von erheblicher Tragweite treffen müssen. Merk: „Hierzu brauchen sie ein hohes Maß an Wissen und Erfahrung. Die heutige Veranstaltung dient deshalb in erster Linie dem Austausch aller Beteiligten.“ Das Gebirge sei laut Merk eines der letzten Refugien der Freiheit, aber selbstverständlich auch kein rechtsfreier Raum.

Als die anerkannte Instanz in Fragen der alpinen Sicherheit gab der langjährige Leiter des DAV-Sicherheitskreises Pit Schubert in seinem Auftaktreferat Empfehlungen für geplante Standards beim Bau und bei der Wartung von Klettersteigen: „Das ist saugefährlich, wenn falsche Drahtseile verwendet und Schadstellen einfach so mit Klebeband umwickelt werden. Durch den Nässestau rostet das Metall viel rascher.“ Schuberts langjährige Forschungen zeigen, dass die neueren Klettersteige weitgehend den anerkannten Empfehlungen entsprechen; viele alte Steige seien aber teilweise dringend sanierungsbedürftig. Oft könne man die Stabilität der Anlage aber kaum überprüfen, da sie von unten nur schlecht einsehbar ist. Schuberts Erfahrungen zeigen, dass hinsichtlich kurioser Selbstsicherungsmethoden und falsch bedienter Ausrüstung in der Praxis fast alles möglich ist: „Es gibt nichts, was es nicht gibt.“

Durch die neuen viel beworbenen Eisenwege im Fels wird schwierigstes Gelände auch ansonsten unerfahrenen und ungeübten Bergwanderern zugänglich gemacht, die sich in trügerischer Sicherheit oftmals selbst überschätzen. Darum sei es nach Aussage von Karl Schrag, Ausbildungsleiter für Bergsteigen beim DAV, so wichtig, dass man auch Klettersteiggehern für Notfälle grundlegende Klettertechniken beibringt. Sepp Reichenberger, der Erbauer des Pidinger Klettersteigs auf der Nordseite des Hochstaufens begeisterte das Publikum mit seinen imposanten Aufnahmen vom Staufengipfel über das Nebelmeer im Reichenhaller Talkessel. Wie man einen Klettersteig plant, welches Gelände man wählen sollte und wie man die Fragen der Haftung und Finanzierung klärt, zeigten Richard Koller und Bernhard Zauner am Beispiel des neuen Berchtesgadener Hochthronsteigs am Untersberg.

Trotz umfangreicher Sicherheitstests seien Massenprodukte wie Klettersteigsets durch Bedienungsfehler der Benutzer noch immer gefährlich, erklärte DAV-Sicherheitsforscher Chris Semmel, der die derzeit am Markt verfügbaren Sets miteinander verglichen und zusätzlichen Belastungstests unterzogen hatte. „Bei einer 180-Grad-Belastung reißt beispielsweise bei manchen Modellen die Schlaufennaht auf. Nur die Produkte von Herstellern mit einer eigenen Seilproduktion haben beim Test einwandfrei abgeschnitten, da hier die Bremse genau an das Seil angepasst wurde“, erklärte Semmel.

Peter Geyer, Ehrenpräsident des Internationalen Bergführerverbandes, gab Empfehlungen für Führungen durch Klettersteige: Für eine größtmögliche Betreuung in Bezug auf Sicherheit und Erlebniswert sei eine optimale Kommunikation mit den Führungsteilnehmern unverzichtbar. Nach einer Einweisung am Einstieg müssten schwierige Passagen immer zuerst durch den Führer demonstriert werden; das Tempo sollten immer die Geführten bestimmen. „Der Alpenverein lehnt den Neubau von Klettersteigen grundsätzlich ab“, sagte Jörg Ruckriegel, DAV-Ressortleiter Naturschutz, der den negativen Einfluss der stark frequentierten Anlagen auf zuvor weitgehend unberührte Natur darstellte. Unter dem Titel „Faszination Klettersteig“ zeigte der Schönauer Bergführer Albert Steinbacher am Abend mit viel trockenem Humor in einem öffentlich zugänglichen Diavortrag seine schönsten Klettersteig-Touren der vergangenen Jahre. Als „saugefährlich“ hätte Pit Schubert die kuriosen Sicherungsmethoden bezeichnet, mit denen Steinbacher seine Kinder am Berg zu einer Zeit gesichert hatte, als sich noch niemand große Gedanken über Sicherungstechniken gemacht hatte.

Rainer Egger von der Gebirgs- und Winterkampfschule der Bundeswehr demonstrierte eindrucksvoll, wie Deutschland, Österreich und die Schweiz in einem internationalen Bergrettungslehrgang ihre Verfahrensweisen, Ausrüstung und Techniken für grenzüberschreitende und internationale Einsätze im Ausland aufeinander abgestimmt haben. „Passiert ein Unfall, so geht es den Juristen um die Suche nach dem Schuldigen“, sagte Dr. Klaus Weber, DAV-Fachbeirat Recht und ehemaliger Präsident des Landgerichts Traunstein, der mit seinem Referat zur Verkehrssicherungspflicht in Klettersteigen die rechtliche Vortragsreihe eröffnete. Mit Klettersteigen wird schwieriges Gelände für Personen eröffnet, die ohne die angebrachten Sicherungen nicht dorthin gelangen würden, was den Unterschied zu einer freien Sportkletterroute ausmacht, wo regulär keine Verkehrssicherungspflicht besteht. Verkehrssicherungspflichtig ist primär der Träger des Steigs, der bei Unfällen auch haftet, jedoch nicht für abstrakte Gefahren. Besonders wenn der Steig touristisch beworben wird, müssten die Träger die Anlage regelmäßig warten und auf Schwierigkeiten und Gefahren hinweisen. „Es darf keine Falle entstehen; die schwierigsten Stellen sollten deshalb am Einstieg und am Ausstieg sein“, erklärte Weber. Der stellvertretende Direktor des Amtsgerichtes Laufen, Dr. Klaus Burger, zugleich Alpinausbilder bei der Bergwacht im BRK, beschäftigte sich in seinem Referat mit der Sanierung von Kletterrouten und stellte die Frage, ob wie bei Klettersteigen durch intensive Sanierung von bereits erschlossenen Routen auch eine Verkehrssicherungspflicht entsteht. „Freies Gelände ist kein haftungsfreier Raum. Saniert werden sollte nur unter fachgerechter Verwendung von genormten Material“, appellierte Burger. Je größer der wirtschaftliche Vorteil einer erschließenden Sanierung ist, desto höher seien auch die Anforderungen an die Wartung der Route. Bei Kommerzialisierung entstehe auch bei Kletterrouten eine Verkehrssicherungspflicht.

Wie ein alpines Sachverständigengutachten entsteht und wie schwierig es in der Praxis oft ist, die Gegebenheiten zum Unfallzeitpunkt zu rekonstruieren, erklärte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Alpin-Sachverständigen in Österreich, Franz Deisenberger: „Oft fehlt den Juristen der alpine Hintergrund, weshalb trotz des Gutachtens ohne Ortstermin keine fachgerechte Bewertung des Unfalls möglich ist.“ Mit dem Thema „Bergunfall und Kausalität beschäftigte sich Rechtsanwalt Dr. Stefan Beulke, zugleich staatlich geprüfter Berg- und Skiführer. In Österreich gibt es an der Universität Innsbruck bereits eine eigene Forschungsstelle für Bergsportrecht. Dr. Dominik Kocholl sprach über die österreichische Rechtsentwicklung der vergangenen Jahre und zeigte an ausgewählten Beispielen, inwieweit Bergführer für ihre Entscheidungen bei Unfällen haften und wann die Eigenverantwortung der Teilnehmer greift. Kocholl: „Wer am Berg mehr kann und weiß, ist oft in der Verantwortung. Deshalb sollten Führer ihre Entscheidungen für die Gruppe immer mit Hintergrundinformationen belegen; so kann jeder Teilnehmer die Gefahren selbst abwägen.“

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Als die anerkannte Instanz in Fragen der alpinen Sicherheit gab der langjährige Leiter des DAV-Sicherheitskreises Pit Schubert in seinem Auftaktreferat Empfehlungen für geplante Standards beim Bau und bei der Wartung von Klettersteigen.
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Wie bereits im Vorjahr sprach Justizministerin Dr. Beate Merk als Schirmherrin des Symposiums das Grußwort.
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Ein Teil der Referenten: Pit Schubert, Franz Deisenberger, die Veranstalter Dr. Herbert Lackner und Peter Utsch, Albert Steinbacher, Dr. Stefan Beulke, Dr. Dominik Kocholl, Dr. Klaus Burger, Rainer Egger, Johannes Schwegler, Peter Geyer, Dr. Klaus Weber und Karl Schrag (von links).


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Der stellvertretende Direktor des Amtsgerichtes Laufen, Dr. Klaus Burger, zugleich Alpinausbilder bei der Bergwacht im BRK, beschäftigte sich in seinem Referat mit der Sanierung von Kletterrouten und stellte die Frage, ob wie bei Klettersteigen durch intensive Sanierung von bereits erschlossenen Routen auch eine Verkehrssicherungspflicht entsteht.