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Verfasser: Markus Leitner, aktualisiert am 12.11.07 um 14:20 Uhr

BRK-Helfer bilden sich fort: Krisenintervention bei Kindern und Jugendlichen

BERCHTESGADENER LAND (ml) – „Kinder und Jugendliche sind keine kleinen Erwachsenen“; der aus der Humanmedizin bekannte Grundsatz gilt auch in der Krisenintervention. Da Kinder völlig anders mit traumatisierenden Ereignissen umgehen als Erwachsene, fand für die Mitarbeiter des BRK-Kriseninterventionsteams (KIT) Berchtesgadener Land eine Fortbildung statt, bei der sich die Ehrenamtlichen speziell mit der kindlichen Psychotraumatologie beschäftigten. Die freiwilligen Krisenberater des Roten Kreuzes stehen Betroffenen in ihren schwersten Stunden bei: Der Tod eines Angehörigen, ein schwerer Unfall oder schlimme Eindrücke nach einer Katastrophe. „Vergangenes Jahr mussten wir im Durchschnitt alle fünf Tage zu einem Einsatz ausrücken. 2007 hat die Einsatzfrequenz weiter zugenommen“, berichtet Helmut Langosch, Fachdienstleiter für Notfallnachsorge bei den BRK-Bereitschaften.

Die Freiwilligen lernten unter der fachlichen Leitung von Wolf-Dieter Schuster, wie sie Schreckensnachrichten an Kinder überbringen und altersgerecht ein Gespräch gestalten können. Oberstes Ziel: Durch den raschen und individuell angepassten Einsatz nach einem traumatischen Ereignis sollen die Krisenberater helfen, bleibende Schäden an der Kinderseele zu verhindern.
Bei großen Einsätzen mit vielen Betroffenen müssen die verschiedenen psychologischen Dienste möglichst reibungsfrei zusammenarbeiten. Damit bei einem Massenanfall von Verletzten wie dem Reichenhaller Eishallenunglück die Einzel- und Gruppenbetreuung möglichst effektiv und rasch beginnt, erklärten die Dozenten den Aufbau und die Arbeitsweise der verschiedenen Dienste und zeigten die Schnittstellen zum Kriseninterventionsdienst auf. Die Ausbilder besprachen alterstypische Reaktionen nach traumatischen Ereignissen, erklärten verschiedene Möglichkeiten, wie sich junge Betroffene von Verstorbenen verabschieden können und gaben den Teilnehmern wertvolle Tipps, wie sie mit Kindern und Jugendlichen über das Thema Selbstmord sprechen können.

Analog zum Rettungsdienst sind Einsätze mit Kindern und Jugendlichen besonders belastend. „Umso wichtiger ist es, dass die ehrenamtlichen Krisenberater durch die notwendigen Grundkenntnisse Sicherheit bei der Betreuung junger Betroffener entwickeln und auf ihre eigene Psychohygiene achten“, erklärt Langosch. Damit sie ihre Erlebnisse bei der Betreuung von Betroffenen besser verarbeiten können, finden monatlich für alle Krisenberater verpflichtend so genannte Supervisionen statt, bei denen ein neutraler Psychologe den Freiwilligen in Gruppengesprächen hilft, ihre seelische Last nach schweren Einsätzen abzubauen. Für Ausbildung und Supervision hatte der Fachdienst im vergangenen Jahr Ausgaben in Höhe von 10.000 Euro; der Großteil wurde durch Spenden aus der Bevölkerung finanziert.

Derzeit ist das KIT Berchtesgadener Land gut aufgestellt: 16 geschulte Krisenberater teilen sich die Dienste, weitere 26 Helfer sind Anwärter. Der Großteil der Anwärter hat schon an einem Kurs in Basisnotfallnachsorge und Erster Hilfe teilgenommen, elf besuchen seit Oktober einen KID-Grundlehrgang, der noch bis Februar 2008 dauert. Das Grundkonzept für das KIT Berchtesgaden entwickelte Helmut Langosch im Juni 1999 zusammen mit dem Vater des KIT Augsburg, Dieter Lenzenhuber - noch heute dient das Strategiepapier als Fahrplan für den weiteren Werdegang der ehrenamtlichen Gruppe.
Ein Schichtdienstplan regelt rund um die Uhr die fast lückenlose Bereitschaftszeit des KIT. Wer Dienst hat, kann seine Freizeit schlecht alternativ gestalten. Zudem sind während der letzten Jahre die Einsätze immer mehr geworden; 2006 waren es 73 Alarmierungen. „Heuer hatten wir bisher 70 Einsätze, wobei die Zahl der betreuten Menschen um ein Vielfaches größer ist, da fast immer Familien oder wie beim Eishallenunglück ganze Personengruppen betreut werden. Die Polizei überbringt kaum mehr eine Todesnachricht ohne das KIT“, erklärt Krisenberater Helmut Langosch.

Unter dem Oberbegriff Notfallnachsorge bieten die ehrenamtlichen BRK-Helfer derzeit drei verschiedene Leistungen an: Basisnotfallnachsorge (BNN) soll möglichst bald nach dem traumatischen Ereignis beginnen und das therapiefreie Intervall von rund 30 Minuten bis zum Eintreffen geeigneter Fachkräfte überbrücken. Diese grundlegende psychische Erste Hilfe kann nach einem Wochenendlehrgang jeder Ersthelfer und jede Einsatzkraft anwenden. Krisenintervention oder Notfallseelsorge beginnen ebenfalls möglichst während oder kurz nach einem Notfallereignis; die Krisenberater sind durchschnittlich zwei bis drei Stunden im Einsatz und stellen die Weichen für den weiteren psychischen Werdegang des Betroffenen, zielen also auf Nachhaltigkeit ab. Die speziell geschulten Krisenberater haben eine längere Ausbildung und ein Praktikum an der Seite eines erfahrenen Kollegen durchlaufen. Critical Incident Stress Management (CISM) oder Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen (SbE) ist eine speziell auf traumatisierte Einsatzkräfte zugeschnittene Betreuung. CISM bedeutet hauptsächlich Prävention, um Helfern konkrete Anleitungen zur kompetenten Selbsthilfe innerhalb ihrer Einsatzorganisation zu geben.

Der
Der Fachdienstleiter Notfallnachsorge der BRK-Bereitschaften, Helmut Langosch und die KID-Teamleitern Andrea Reichenwallner haben zusammen mit vier weiteren ehrenamtlichen Krisenberatern aus dem Berchtesgadener Land an einer Fortbildung zur Krisenintervention bei Kindern und Jugendlichen teilgenommen.