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Verfasser: Markus Leitner, aktualisiert am 13.8.08 um 07:50 Uhr

Ehemals wichtige Stützpunkthütte im Lattengebirge wurde in den Nachkriegsjahren errichtet

BISCHOFSWIESEN (ml) – Es schüttet senkrecht in Strömen, als Pfarrer Markus Moderegger aus Bischofswiesen den Berggottesdienst auf der Törlschneid-Hütte im nebelumhüllten Lattengebirge anstimmt; 60 Jahre ist der früher im Winter so wichtige Bergwacht-Stützpunkt an der so genannten Winkl-Skiabfahrt vom Predigtstuhl im August 2008 alt geworden. Als nach dem Krieg die Unfallzahlen auf der zunehmend beliebten Skiabfahrt stetig anstiegen, beschloss die Bergwacht-Bereitschaft Bad Reichenhall am 12. April 1946 auf der Törlschneid eine Diensthütte für Helfer und Material zu bauen. Hubschrauber gab es damals in der Bergrettung noch keine, weshalb die Verletzten in mühevollen Auf- und Abstiegen per Gebirgstrage oder Akja gerettet werden mussten.

Heute ist alles komfortabler: Zwei Bergwacht-Geländefahrzeuge bringen die Festgäste bis ans Ende der Fortstraße; eine Gruppe Hartgesottener ist am Samstagmorgen aufgestiegen und hat sich nun unter einer großen Plane versammelt, die ein paar eifrige Bergwachtler in weiser Voraussicht zwischen Dachfirst, Sträuchern und Bäumen aufgespannt haben. Alle müssen eng zusammenrücken, um nicht nass zu werden. „A da Himmel is voll wie a g´steckt volle Berghüttn“, vergleicht Moderegger in seiner Predigt und erzählt von seinem ganz persönlichen Bezug zur Törschneid: Nach dem 50-jährigen Feuerwehrfest des Löschzuges Winkl wäre er bei einer Wanderung beinahe kollabiert; mit letzten Kräften erreichte er den besetzten Stützpunkt, wo er von der Bergwacht wieder aufgepäppelt wurde.

Während die Klänge der jungen Ramsauer Sänger und der Bläsergruppe der Musikkapelle Weißbach in das unwirkliche Wolkenmeer hinaus hallen, prasselt der Regen monoton und mit zunehmender Intensität auf das künstliche Planendach. „Bei jedem Wetter in jedem Gelände“ – das Bergwacht-Motto bringt den Sachverhalt wieder mal auf den Punkt. Der skeptische Blick von Hüttenwirt Rupert Erber wandert zyklisch in Richtung der Wasseransammlungen, die bedrohlich durch die Plane über den Köpfen der Gottesdienst-Besucher schimmern und sich in unregelmäßigen Abständen an den Rändern ergießen. Auch Lawinenhund Burli versteckt sich mit angelegten Ohren zwischen den Leuten vor der Feuchtigkeit. Doch Plane und Knoten tragen die Wasserlast bis zum Schluss nach der Kommunion, als die Gruppe eng aneinander gepresst beisammen steht – keiner wird nass, wie im Himmel halt.

Als Hüttenwirtin Katharina Erber zu Mittag vom Fenster aus die Gulaschsuppe ausschenkt und die Knogl-Musi zünftig aufspielt, wird es schließlich gemütlich auf der Törlschneid. Immer wieder tut sich auch ein kleines Wolkenfenster auf und lässt die Umrisse der Berchtesgadener Berge erahnen. Am Nachmittag reißt es schließlich ganz auf – bestes Bergwetter mit Sonnenschein lädt zu einer Tour auf den Karkopf ein.

Obwohl die Menschen in den Nachkriegsjahren eigentlich kaum Geld und nur wenig Freizeit hatten, waren zwischen Mai 1946 und August 1948 fast immer sonntags insgesamt 48 Bergwacht-Kameraden aus Bad Reichenhall und Freilassing am Törl beim Hüttenbau beschäftigt, wobei an 59 Tagen 3.200 freiwillige Arbeitsstunden geleistet wurden. Jede Menge Material musste zur Predigtstuhlbahn gebracht und mühevoll von der Bergstation aus auf den Schultern rund zwei Stunden lang zum Bauplatz getragen werden, darunter Stücke mit einem Einzelgewicht von bis zu drei Zentnern: 16 Kubikmeter Bauholz und Bretter, 20 Zentner Zement, 82 Quadratmeter Mehrschichtplatten, drei Zentner Kalk, zwei Zentner Gips, vier Türen samt Türstöcken, sieben Fensterstöcke, 30 Quadratmeter Fichtenholzschindeln, 20 Leichtbauplatten und sieben Rollen Dachpappe. Außerdem mussten die Ehrenamtlichen vier bis fünf Kubikmeter Sand werfen und zur Baustelle tragen, sechs Kubikmeter Bruchsteine transportieren, rund 80 Quadratmeter Legschindel fällen, schneiden und zum Teil eine viertel Stunde lang bergauf tragen.

Die größte Unterstützung erfuhr die Bergwacht von der Direktion der Bergbahn, die sämtliche Fahrten kostenlos durchführte, sowie durch die Saline mit ihrem Bauingenieur Leonhard Schieder, der den Plan entworfen und maßgeblich bei der Materialbeschaffung unterstützt hatte. Neben einem offiziellen Bauzuschuss von 5.000 Reichsmark wurde die Hütte maßgeblich mit Material- und Geldspenden errichtet.

Das Tragen der schweren Lasten war nicht nur beschwerlich, sondern auch gefährlich: Als im Frühjahr 1947 Ludwig Hilzensauer die schwere Ofenplatte des Herdes auf einer Kraxe von der Bergstation zum Hochschlegel transportierte, brach er gegenüber der Alpgartenrinne im Schnee ein und rutschte in Richtung Röthelbach ab. Bewegungsunfähig blieb er samt Platte schließlich im Schnee stecken und wäre beinahe unter der schweren Last erstickt. Blasi, so sein Spitzname, wurde gerettet, die Platte liegt aber heute noch am Unfallort, der seitdem „Blasi-Angst“ heißt.

Am 22. Februar 1965 verunglückte der „Blasi“ jedoch erneut auf dem Predigtstuhl. Nach langer Suche wurde er schließlich mit angeschnallten Ski und mit dem Kopf nach unten unter einem Baum im Schnee liegend tot aufgefunden.







Hüttenwirtsehepaar
Hüttenwirtsehepaar Katharina und Rupert Erber mit Bergwacht-Suchhund Burli.
Ein
Ein paar eifrige Bergwachtler spannen in weiser Voraussicht zwischen Dachfirst, Sträuchern und Bäumen einen Regenschutz auf.