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Unsichere zukünftige Finanzierung des Katastrophenschutzes bei Mitgliederversammlung mit Neuwahlen des BRK-Kreisverbands Berchtesgadener Land thematisiert

BERCHTESGADENER LAND/PIDING (ml) – Roland Richter ist am Donnerstagabend einstimmig von der Mitgliederversammlung im Pidinger Altwirt als Vorsitzender des BRK-Kreisverbands Berchtesgadener Land wiedergewählt worden. Ebenfalls einstimmig im Amt bestätigt wurden seine beiden Stellvertreter Georg Wetzelsperger und Dr. Herbert Lackner, Chefarzt Dr. Franz Leipfinger, Justitiar Urs Strozynski und die beiden Schatzmeister Helmut Grundner und Bernhard Stümpfle. Neu im Vorstand ist der Internist Stefan Ambrosch, der einstimmig gewählt wurde und zukünftig Dr. Hubert Goegele  als stellvertretenden Chefarzt ablöst; Goegele stand nicht mehr zur Wahl.

Der Vorstand zeichnet vor allem für die strategische Ausrichtung und die Haushaltsplanung des Kreisverbands verantwortlich und besteht aus drei Gruppen: Zehn durch die Gemeinschaften entsandte Vertreter der BRK-Bereitschaften, der BRK-Wasserwacht, der Bergwacht im BRK und des Jugendrotkreuzes (JRK), die acht von der Mitgliederversammlung gewählten Funktionsträger, bis zu fünf weitere vom Kreisvorstand berufene Mitglieder und dem hauptamtlichen Geschäftsführer mit beratender Stimme. Auch der von der Mitgliederversammlung neu gewählte Haushaltsausschuss bleibt personell weitgehend unverändert: Vorsitzender Edi Schmid, Albert Bruckner, Peter Dengler, Rudi Meier und Werner Thaler wurden wiedergewählt; Martin Tradler und Fabian Westermeier lösen Martin Planegger und Walter Söldner ab – Planegger kandidierte nicht mehr und Söldner ist zukünftig als neuer stellvertretender Kreisbereitschaftsleiter Mitglied des Kreisvorstands. Zukünftige Ersatzmitglieder sind Alexandra Hessberger, Peter Reiser und Martin Planegger. Die neu gewählte Vorstandschaft tritt erst mit der konstituierenden Sitzung am 29. Juni ihr Amt an. Die Delegierten zur Bezirks- und Landesversammlung wurden nicht gewählt und werden auch zukünftig wieder vom Vorstand benannt.

Zum BRK im Berchtesgadener Land gehören aktuell rund 10.000 Fördermitglieder, 550 haupt- und nebenamtliche Mitarbeiter und rund 1.300 Ehrenamtliche in den BRK-Bereitschaften, in der BRK-Wasserwacht, in der Bergwacht im BRK im Jugendrotkreuz und in der Wohlfahrts- und Sozialarbeit, die ohne die Bergwacht allein 2016 insgesamt rund 65.000 Stunden geleistet haben, was etwa 40 Vollzeit-Stellen entspricht. Der BRK-Kreisverband und die Sozialservice-Gesellschaft (SSG) des BRK, die in Bad Reichenhall drei Seniorenheime betreibt, arbeiten bei der Betreuung, Versorgung und beim Transport von Pflege-Patienten eng und abgestimmt zusammen.

Fachkräfte-Mangel bei steigender Nachfrage
Kreisvorsitzender Roland Richter gedachte zum Beginn der Versammlung an den im Herbst 2016 verstorbenen langjährigen Ehren-Kreisvorsitzenden Herbert Stingl und lobte den außergewöhnlichen Einsatz der ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiter; er erinnerte an die unglaubliche Leistung während der ersten Wochen des Flüchtlingseinsatzes im Herbst 2015 in Freilassing: „Was ihr dort bewegt habt, ist einmalig und nicht vergleichbar!“ Richter dankte auch Kreisgeschäftsführer Tobias Kurz und seinem Team für die im bayernweiten Vergleich sehr gute Leistungsfähigkeit des Kreisverbands, der vor allem wegen der eigenen Häuser finanziell stabil dasteht, sich aber auch wegen des sinkenden Spendenaufkommens ernsthafte Sorgen um die Zukunft des Katastrophenschutzes macht. Die Bilanzsumme ist in erster Linie durch große Modernisierungsprojekte wie im Freilassinger BRK-Haus gestiegen. Während der vergangenen vierjährigen Amtsperiode steigerte sich der Gesamtumsatz um rund 25 Prozent auf über elf Millionen Euro, im Teilbereich der ambulanten Pflege sogar um 36 Prozent, wobei in allen Tätigkeitsfeldern der zunehmende Fachkräfte-Mangel der begrenzende Faktor ist. Das BRK setzt sich trotz der schwierigen Rahmenbedingungen für eine qualitativ hochwertige Versorgung ein, musste aber bereits zeitweise bei besonders starker Nachfrage neue Patienten in der ambulanten Pflege ablehnen. „Immer mehr Menschen brauchen Hilfe, wir haben aber wie die anderen Wohlfahrtsverbände auch vermehrt Schwierigkeiten, noch Mitarbeiter zu finden, die die vor allem auch körperlich belastende Arbeit in Pflege, Fahrdienst und Rettungsdienst noch machen können und wollen“, bedauert Kurz, der vor allem im Bereich Hausnotruf die Leistung des ehrenamtlichen Hintergrunddienstes lobte: „Von 570 Teilnehmern 2013 ist die Zahl der Hausnotruf-Kunden mittlerweile auf rund 750 angestiegen.“

Rettungsdienst-Ausschreibungen machen Beruf unattraktiver
Auch die Tatsache, dass Rettungsdienstleitungen inzwischen per Ausschreibungen und dann nur befristet auf fünf Jahre vergeben werden, hat zwei gravierende negative Auswirkungen: Zum einen hat der hohe Personalkostenanteil im Rettungsdienst zur Folge, dass der Wettbewerb im Wesentlichen auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen wird und die Arbeitsplatzsicherheit von den Mitarbeitern – zumindest subjektiv – als deutlich schlechter wahrgenommen wird, was den Beruf an sich unattraktiver macht und die Personalgewinnung  und damit auch die Leistungsfähigkeit und Qualität des Rettungsdienstes gefährdet. Zum anderen sind Investitionen in die Infrastruktur, also vor allem die Rettungswachen, bei so kurzen Vertragslaufzeiten nicht mehr kalkulierbar, was vor allem an kleineren Standorten zur Folge haben wird, dass sich mobile Container-Lösungen anstatt massiv gebauter Wachen etablieren werden. „Diese Rahmenbedingungen gefährden mittelfristig den Rettungsdienst, machen ihn für die Mitarbeiter weniger attraktiv und wie die bisherigen Erfahrungen zeigen, für die Kostenträger wie Krankenkassen keinesfalls günstiger“, warnt Kurz.

Katastrophenschutz zu 80 Prozent aus Spenden finanziert
Naturkatastrophen und Terror-Gefahr und auch dadurch gestiegene Sicherheitsanforderungen an Material und Gebäude und neue, teure Ausrüstung haben zu gestiegenen Kosten im Katastrophenschutz geführt, den das BRK trotz konkreter staatlicher Anforderungen und Vorgaben zu rund 80 Prozent aus Spenden und eigenen Mitteln finanzieren muss. Dem gegenüber steht ein zwar konstant hohes Spendenaufkommen, das sich aber auf immer mehr Organisationen verteilt, wodurch der Anteil für das BRK kontinuierlich abnimmt. Der Freistaat Bayern stellt Fahrzeuge wie den Gerätewagen Sanität in Freilassing zur Verfügung, der notwendige Garagen-Neubau ging 2016 mit rund 75.000 Euro aber voll zu Lasten des BRK. Kurz: „Ohne die große Eigenleistung unserer Ehrenamtlichen und die vielen Spenden aus der Region wäre das Projekt nicht zu stemmen gewesen!“

Freistaat Bayern hat für den Digitalfunk im Katastrophenschutz bisher nichts bezahlt
Vom Staat entschieden und vorgegeben war auch die Umstellung auf den neuen digitalen Behördenfunk, wobei die in den Medien kommunizierte Förderung von rund 80 Prozent nichts mit der Realität zu tun hat: Gefördert werden nur die Gerätekosten, nicht aber die deutlich höheren Einbaukosten durch Spezialfirmen in die Fahrzeuge – letztlich stellte sich auch heraus, dass nicht einmal alle zwingend notwendigen Geräte wie Entkoppler gefördert werden. Das BRK hat im Berchtesgadener Land konkret im Katastrophenschutz ohne Landrettungsdienst und Wasserwacht 103.000 Euro für den Digitalfunk ausgegeben, wofür es aber nur weniger als 30.000 Euro an Förderung erhalten wird, also nicht mal 30 Prozent.  „Obwohl der Einbau bereits Mitte 2016 erfolgt ist und der Förderantrag Anfang Oktober eingereicht wurde, haben wir bis heute keinen Cent erhalten. So sieht die medial oft groß beworbene Unterstützung des Freistaats Bayern im Katastrophenschutz in der Praxis aus“, kritisiert Kurz, der zeitgleich aber das Landratsamt Berchtesgadener Land lobt, das mit einem Zuschuss von 30.000 Euro einen akuten Engpass bei der Beschaffung verhindert hat. „Grundsätzlich kann es so aber im Katastrophenschutz nicht weitergehen. Die steigenden Kosten können langfristig nicht durch zusätzliche Spenden finanziert werden. Wollen das Land Bayern, der Landkreis und unsere Bevölkerung einen entsprechend funktionsfähigen Katastrophenschutz, so müssen die staatlichen Leistungen erheblich ausgeweitet werden“, fordert Kurz, der als mittelfristiges Ziel sieht, dass der Staat das komplette Material finanziert und das Rote Kreuz dafür qualifiziertes Personal stellt.

Georg Wetzelsperger und Bernhard Stümpfle geehrt
Kreisvorsitzender Roland Richter und Kreisgeschäftsführer Tobias Kurz zeichneten den stellvertretenden Kreisvorsitzenden Georg Wetzelsperger und den stellvertretenden Schatzmeister Bernhard Stümpfle für ihre wichtige Arbeit im Hintergrund mit der BRK-Ehrenplakette in Silber aus. Wetzelsperger setzt sich seit Jahren politisch vor allem für Wohlfahrts- und Sozialthemen ein und Stümpfle steht der Geschäftsführung regelmäßig vor allem als wertvoller und anerkannter Steuerrechtsexperte in schwierigen Fragen beratend zur Seite.

Die acht gewählten Vorstandsmitglieder mit Kreisgeschäftsführer Tobias Kurz (rechts): Schatzmeister Helmut Grundner, der neue stellvertretende Chefarzt Stefan Ambrosch, Chefarzt Dr. Franz Leipfinger, der erste stellvertretende Kreisvorsitzende Georg Wetzelsperger, Kreisvorsitzender Roland Richter, der zweite stellvertretende Kreisvorsitzende Dr. Herbert Lackner, der stellvertretende Schatzmeister Bernhard Stümpfle und Justitiar Urs Strozynski (von links).