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Unerwartet früher Wintereinbruch macht Sommer-Bergsteigern im Berchtesgadener Land derzeit das Leben schwer

SCHÖNAU AM KÖNIGSSEE/RAMSAU – Ein erst 24-jähriger Bergwanderer aus den Niederlanden ist am Donnerstagnachmittag gegen 16.15 Uhr unterhalb der Laafeldwände im Hagenbirge in rund 1.650 Metern Höhe auf einem Steig ins Landtal von einem Nassschneerutsch erfasst worden und rund 60 bis 80 Meter tief über felsiges Gelände tödlich abgestürzt. Seine Familie stieg durch das steile Gelände ab, konnte aber nichts mehr für den Mann tun – erst gegen 18 Uhr konnten sie weiter unten einen Notruf absetzen, was wegen fehlendem Handynetz zuvor nicht gelungen war. Die Berchtesgadener Bergretter und vier Hubschrauber-Besatzungen flogen die betroffenen Angehörigen aus und kümmerten sich um die Bergung des Toten.

Die vierköpfige, niederländische Familie, die sich zurzeit im Urlaub im Chiemgau befindet, machte sich am Donnerstagmorgen zu einer Wanderung in Richtung Gotzen- und Wasseralm auf. Am Nachmittag gegen 15 Uhr gingen sie von der Gotzenalm über die Regenalm in das Landtal. Sie querten unterhalb der Laafeldwände in rund 1.650 Metern auf einem Steig in das Landtal hinein. Gegen 16.15 Uhr erfasste in einer Rinne ein Schneerutsch den als letzten gehenden 24-jährigen Sohn und riss ihn mit. Der junge Mann stürzte daraufhin etwa 60 bis 80 Höhenmeter in felsigem Gelände ab und war sofort tot, da er sich schwerste Kopfverletzungen  zugezogen hatte.

Die Familie stieg durch das steile Gelände zum abgestürzten Sohn ab, konnte aber nichts mehr für ihn tun. Sie stiegen weiter über das Landtal in Richtung Obersee ab, bis endlich kurz vor 18 Uhr wieder ein Handynetz verfügbar war. Als der Notruf einging, schickte die Leitstelle Traunstein sofort die Berchtesgadener Bergretter, die Lawinen- und Suchhundestaffel der Bergwacht-Region Chiemgau, den Salzburger Notarzthubschrauber „Christophorus 6“ und den Traunsteiner Rettungshubschrauber „Christoph 14“ los, dessen Besatzung bereits im Gebiet war, da sie unmittelbar zuvor eine Boulderin mit Bein- und Fußverletzung vom Blaueis ins Tal geflogen hatte. Die Besatzung von „Christophorus 6“ und ein Berchtesgadener Bergretter konnten vor Ort aber nur noch den Tod des 24-Jährigen feststellen. Sie flogen dann die unverletzten, aber frierenden und geschockten Angehörigen nach Schneewinkl aus, wo sie dann der Kriseninterventionsdienst (KID) der Bergwacht weiter betreute.

Weitere Einsatzkräfte der Bergwacht, darunter auch vier Suchhundeteams, standen für einen größeren Einsatz vor Ort in Bereitschaft, mussten aber nicht im Gelände aktiv werden, da sonst niemand mehr mitgerissen oder verschüttet worden war. „Christoph 14“ flog den Polizeibeamten der Alpinen Einsatzgruppe (AEG) und zwei Berchtesgadener Bergretter zur Unfallstelle. Der Polizeibergführer nahm den Unfall auf und die Bergretter kümmerten sich um die Bergung des Toten, der im Anschluss im letzten Tageslicht von der Besatzung des Polizeihubschraubers „Edelweiß 1“ aufgenommen und ausgeflogen wurde.  Ein nachflugtauglicher Transporthubschrauber der Bundespolizei holte die restlichen Einsatzkräfte später aus dem Landtal ab und flog sie nach Schneewinkl aus. An dem Einsatz waren neben den vier Hubschraubern noch 14 Berchtesgadener Bergretter und vier Bergwacht-Hundeführer beteiligt. Die Reichenhaller Bergwacht tankte die Hubschrauber mit ihrem Kerosin-Anhänger wieder auf.

Im Bereich der Unfallstelle lagen rund 20 bis 30 Zentimeter durchfeuchteter Schnee. Durch die Sonneneinstrahlung und den Temperaturanstieg am Nachmittag kam es im gesamten Bereich ab der Gotzenalm zu vielen Nassschnee-Rutschen, wobei der schwere Schnee auf dem grasigen und steilen Untergrund ohne Haftung abglitt. Dieser nasse Schnee entwickelt in seiner Masse eine unbändige Kraft, die Menschen locker mitreißen kann, was dem 24-jährigen Mann zum Verhängnis wurde. „Es ist in den nächsten Tagen davon auszugehen, dass bei weiterer Erwärmung noch weitere und intensivere Schneerutsche auch aus höheren Lagen abgehen werden. Die Schneehöhe nimmt inneralpin der Berchtesgadener Bergen massiv zu, so dass Wanderungen bei der angesagten Wetterbesserung mit Bedacht und Vorsicht angegangen werden sollten“, warnt die Polizei in ihrer Presseaussendung.

Bereits ähnliche Situation Ende April
Die aktuell kalte Witterung und der ungewöhnlich viele Schnee für Mitte September mitten in der ansonsten zu dieser Zeit eher milden Wander-Saison bringen die mit den Themen Schnee und Lawine eher unerfahrenen Sommer-Bergsteiger rasch an ihre Grenzen; eine ähnliche Situation gab es heuer bereits Ende April mit einem ungewöhnlich späten, erneuten Wintereinbruch im Berchtesgadener Land. Zu dieser Zeit waren bereits viele Urlauber im Landkreis, die in den Bergen wandern gehen wollten, von der kalten Witterung aber überrascht wurden, dann aber trotzdem losstarteten. Der erneute, späte Wintereinbruch mit unerwartet viel Schnee freute zwar viele Skitourengeher und ermöglichte nochmals Abfahrten bis ins Tal, konfrontierte aber bereits auf den Sommer eingestellte Bergsteiger mit Schwierigkeiten und Gefahren, denen sie sonst nicht ausgesetzt sind und mit denen sie wenig oder gar keine Erfahrung haben. „Es ist rutschig, es drohen Lawinen und Steinschlag und der teilweise tiefe Schnee fordert wesentlich mehr Kondition und zusätzliche Kleidung“, betont Einsatzleiter Thomas Pöpperl.

„Wenig oder unerfahrene Bergsteiger sollten deshalb in niedrigere, schneefreie Höhenlagen ausweichen, die gerade im Herbst mit der Laubverfärbung der Bäume einen reizvollen Wandergenuss bieten und sich unbedingt eingehend über Wetter- und Schneeverhältnisse bei alpinen Auskunftsstellen, bei einschlägigen Wetterportalen, bei Bergführern oder Hüttenwirten erkundigen. Wichtig ist auch die richtige Ausrüstung, wozu stabiles Schuhwerk mit Profilsohle, Nässe und Kälteschutz, Wechselwäsche, Erste-Hilfe-Material, ein Biwaksack als Schutz vor Unterkühlung, ein Handy für Notrufe und nicht zuletzt eine Stirnlampe wegen des früheren Nachtanbruchs zählen. Zur Tourenplanung gehört es nicht zuletzt auch, das eigene alpine Können und die Kondition für die geplante alpine Unternehmung realistisch einzuschätzen“, erklärt Robert Kern, Vorsitzender der Alpenvereinssektion Bad Reichenhall.

24-Jährige beim Bouldern am Blaueis verletzt
Am Donnerstag bereits gegen 17 Uhr mussten die Bergwacht Ramsau und die Besatzung von „Christoph 14“ ins Bouldergebiet an der Blaueishütte am Hochkalter fliegen, wo sich rund 200 Meter von der Hütte entfernt eine 24-jährige Kletterin aus Mittelfranken schwer am Bein verletzt hatte. Die Einsatzkräfte landeten an der Hütte, gingen zu Fuß zur Patientin, versorgten sie und flogen sie dann mit dem 25-Meter-Tau nach Ramsau, wo sie eine Rettungswagen-Besatzung des Roten Kreuzes übernahm und in die Kreisklinik Bad Reichenhall einlieferte.

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