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Regionalleitung bedankt sich für außergewöhnliche Leistung im Hintergrund: Kriseninterventionsdienst (KID) der Bergwacht-Region Chiemgau wurde 2018 bisher 63 mal benötigt

BERCHTESGADENER LAND/TRAUNSTEIN/ALTÖTTING (ml) – Der Kriseninterventionsdienst (KID) der Bergwacht-Region Chiemgau wurde heuer bereits 63 mal bei tödlichen und sehr schweren, emotional belastenden Bergunfällen benötigt, was über einem Viertel aller Einsätze in Bayern entspricht.  Die aktuell 14 ehrenamtlichen Krisenberater aus neun Bereitschaften stehen Angehörigen, Freunden, Tourenpartnern und Augenzeugen in den schwierigsten Stunden des Lebens bei, leisten psychische Erste Hilfe bei tragischen Einsätzen, überbringen zusammen mit der Polizei die Todesnachricht an Angehörige und betreuen betroffene Familienmitglieder und Begleiter während längerer Vermisstensuchen. Der Kontrast könnte dabei nicht größer sein, da sich die schlimmen Ereignisse meist dann völlig unerwartet ereignen, wenn Betroffene in der Freiheit am Berg die schönsten, unbeschwerten Stunden des Lebens suchen – in einem Sekundenbruchteil schlägt dabei höchstes Glück in tiefstes Unglück um.

Unverzichtbare Arbeit im Schatten von Blaulicht und Martinshorn
Regionalleiter Dr. Klaus Burger, sein Stellvertreter Thomas Lobensteiner und Geschäftsführer David Pichler dankten KID-Chef Klaus Überacker (Altötting), seiner Stellvertreterin Evi Partholl (Ramsau) und dem gesamten Team bei einem Jahresabschluss-Essen in Anger für die geleistete, mittlerweile unverzichtbare, anspruchsvolle und seelisch sehr belastende Arbeit, die weitgehend im Schatten von Blaulicht und Martinshorn abseits der öffentlichen Wahrnehmung stattfindet. „Wenn wir anderen Einsatzkräfte nach einem tödlichen Absturz oder einer erfolglosen Wiederbelebung eines internistischen Patienten bereits zusammensitzen, um das Erlebte besser zu verarbeiten, seid Ihr noch helfend und betreuend unterwegs, oft viele Stunden oder sogar Tage – in besonderen Fällen sogar noch nach Wochen. Wir können für diesen Einsatz bis ans Limit alle nur den Hut vor Euch ziehen! Selbstverständlichkeit ist der Feind der Wertschätzung; Ihr sollt wissen, dass wir Eure sehr fordernde Tätigkeit nicht ansatzweise als selbstverständlich betrachten und alle sehr wertschätzen!“, lobte Dr. Burger, der an den vergangenen, sehr langen Sommer mit den gestiegenen Einsatzzahlen erinnerte. Die Bergwacht ist dabei immer mehr für unverletzte und auch nicht akut erkrankte, dafür aber psychisch blockierte Bergsteiger unterwegs, die mit den alpinen Bedingungen überfordert sind, sich versteigen und ihre persönlichen, individuellen Grenzen überschreiten. Trotz der vielen und auch riskanten Einsätze seien alle ehrenamtlichen Retter in der vergangenen Saison wieder gesund und ohne ernstere Verletzungen nach Hause zurückgekehrt.

Beginn vor 18 Jahren
Die ersten Bergretter im Chiemgau absolvierten vor 18 Jahren die Spezialausbildung zum Krisenberater. Nach einigen strukturgebenden Maßnahmen konnte der neue Fachdienst KID-Berg Chiemgau 2005 mit fünf Ehrenamtlichen unter der Leitung des evangelischen Pfarrers Dirk Wnendt (Traunstein) seine Arbeit aufnehmen. Als Wnendt 2008 die Leitung wegen beruflicher Veränderungen abgeben musste, übernahm der heutige Chef Klaus Überacker das Ruder. Mittlerweile engagieren sich im KID Berg vier Frauen und zehn Männer – alle sind ausgebildete Einsatzkräfte, kennen die Strukturen der Organisation und können sich im Sommer und Winter sicher im alpinen Gelände bewegen. Der erste Einsatz für den KID der Bergwacht Chiemgau war das Lawinenunglück mit drei Toten am 2. Januar 2006 am Schrecksattel auf der Nordwestseite der Reiter Alpe.

Entlastung der Retter
Mittlerweile ist der zusätzliche Dienst für die Einsatzleiter nicht mehr wegzudenken, da die Krisenberater die Bergwachten mit ihrer Hintergrund-Arbeit mit den Betroffenen entlasten, so dass sich die Einsatzkräfte auf die eigentliche Rettung konzentrieren können. Über eine ständig besetzte Hotline (+49 (0) 8041-4391500) ist der Hintergrunddienst des KID Berg für Betroffene, Einsatzkräfte und Leitstellen erreichbar. Eine weitere Aufgabe des KID ist die Stressbearbeitung nach belastenden Ereignissen (SbE) für die aktiven Einsatzkräfte der Bergwacht. Der KID der Bergwacht kommt nur bei bergspezifischen Unfällen zum Einsatz, da Bergsteiger sich besser auf Augenhöhe in andere Bergsteiger hineinversetzen und ihnen dadurch effektiver beistehen können. Für belastende und tödliche Einsätze im Tal  betreiben die ehrenamtlichen BRK-Bereitschaften einen eigenen KID, der sich um Betroffene kümmert.

Regelmäßige Supervisionen
Die erforderliche Ausbildung zur Mitarbeit im KID Berg wird von der Bergwacht Bayern organisiert und alle zwei Jahre durchgeführt. Einsatzkräfte, die sich für die Mitarbeit im KID Berg interessieren, können sich bei der Regionalgeschäftsstelle Chiemgau oder direkt beim Leiter der Regionalgruppe informieren. Die Gruppenmitglieder treffen sich regelmäßig alle paar Wochen zu Einsatz-Nachbesprechungen und internen Fortbildungen. Zur Personalfürsorge, Nachbearbeitung von Einsätzen und daraus resultierenden Problemen führt der KID Berg auch regelmäßig Supervisionen durch, damit die ehrenamtlichen Krisenberater nicht an den belastenden Einsätzen seelisch zerbrechen. Von den heuer bayernweit bisher 230 KID-Einsätzen absolvierte 63 der KID Berg Chiemgau – darunter sind 36 reguläre KID-Einsätze, 21 weitere Einsätze im Rahmen der durch die Chiemgauer mit betreuten Telefon-Hotline und zwei SbE-Einsätze für betroffene Einsatzkräfte.

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Regionalleiter Dr. Klaus Burger (links) und sein Stellvertreter Thomas Lobensteiner (Zweiter von rechts) dankten KID-Chef Klaus Überacker (rechts), seiner Stellvertreterin Evi Partholl (Dritte von links) und sieben weiteren Krisenberatern, die zum Jahresabschluss-Essen nach Anger gekommen waren: Rainer Schuegger, Markus Pletschacher, Sepp Koch, Dr. Franz Lachner, Claudia Bork, Florian Kronawitter und Andreas Lukas (von links).