Bewertung:  / 8
SchwachSuper 

BRK-Wasserwacht Ortsgruppe Freilassing blickt zufrieden auf erste Rehkitz-Rettungssaison zurück

FREILASSING (ml) – Das ehrenamtliche Team der BRK-Wasserwacht Ortsgruppe Freilassing-Ainring blickt zufrieden auf die erste sehr erfolgreiche Rehkitz- und Wildtier-Rettungssaison zurück: Die freiwilligen Helfer waren 13 mal auf heimischen Feldern unmittelbar vor den Mäh- und Erntearbeiten im Einsatz und haben dabei acht frisch gesetzte Kitze mit der Drohne aufgespürt und gesichert sowie zwölf Hasen, fünf Kitze und drei größere Rehe aus der Luft aufgeschreckt und vertrieben und sie dadurch vor schweren oder sogar tödlichen Verletzungen durch das Mähwerk bewahrt. Dank kräftiger finanzieller Beteiligung der drei Hauptsponsoren, Max Aicher GmbH & Co. KG, Roland Richter und Partner GmbH sowie AlpsContainer konnte der Lions Club Freilassing-Salzburger Land dem  Roten Kreuz eine neue 5.650 Euro teure Drohne zur Verfügung stellen, die bei der BRK-Wasserwacht Ortsgruppe Freilassing-Ainring stationiert ist und bei Einsätzen zur Erkundung und Aufklärung großer Wasser- und Landflächen aus der Luft und zugleich zur Rehkitz-Rettung eingesetzt wird (wir berichteten).

Jahr für Jahr sterben rund 100.000 junger Rehkitze in den europäischen Wiesen durch die Schneidwerke und Mähmaschinen der Landwirtschaft. Im Frühjahr ist das Problem besonders groß: Junge, frisch gesetzte Rehkitze leben und verstecken sich im hohen Gras der landwirtschaftlichen Felder und Wiesen, können aber selbst bei Gefahr noch nicht flüchten. Die Landwirte müssen wetterbedingt aber oft sehr kurzfristig große Flächen mähen.

„Leider ist es für die Landwirte nahezu unmöglich, die Wiesen vor dem Mähen ohne technische Hilfe auf Rehkitze zu Fuß abzusuchen. Hinzu kommt, dass Rehkitze – anders wie oft angenommen und wie es erwachsene Rehe machen würden – nicht beim Herannahen eines lauten Traktors aufspringen und fliehen, sondern liegen bleiben und sich noch tiefer im Gras verstecken. Erkennt der Landwirt das Rehkitz nicht rechtzeitig vor dem Mähwerk, so führen die Mähmaschinen zu grausamen Verletzungen und Verstümmelungen, die im besten Falle gleich zum Tod des Rehkitzes führen, oft aber dem Tier noch lange Leidensstunden bescheren. Der Landwirt holt dann in der Regel schnellstmöglich einen Jäger, der dem Leiden des Tieres ein Ende setzt“, erklärt Barbara Leder von der BRK-Wasserwacht.

Was zu Fuß früher wegen des enormen Zeitaufwands und eingeschränkter Sicht im hohen Gras nur sporadisch möglich war, löst der Einsatz von hocheffektiven und mittlerweile auch bezahlbaren Drohnen mit Wärme-Bild-Kameras, wie sie die Freilassinger Wasserwacht einsetzt. Die Wasserwacht-Mitglieder Andreas Arnemann, zugleich Initiator der Rehkitz-Rettung, seine Frau Marianne und Barbara Leder berichten im Interview von ihren Erfahrungen in der ersten Rehkitz-Rettungssaison.

Andreas, wie bist Du überhaupt auf die Idee zur Rehkitz-Rettung mittels Drohne gekommen?
Ich habe das Thema vor zwei Jahren mal im Internet gesehen und dabei erfahren, dass die Methode mit der Drohne sehr effektiv ist. Bei uns in der Gegend gab es bis jetzt nur eine Drohnen-Pilotin, die sich vor Aufträgen nicht mehr retten konnte, da die Bauern wetterbedingt meist alle zur selben Zeit mähen müssen. Nachdem ich selbst seit Jahren Modellflieger und Drohnen steuere und sehr tierlieb bin, war die Idee geboren. Ich habe mich dann sofort auf die Suche nach Sponsoren gemacht. Da ich als Privatperson keine Spendengelder annehmen konnte, brauchte ich eine Organisation. Damit die Drohne nicht nur im Frühling und Frühsommer zur Tierrettung, sondern auch das restliche Jahr sinnvoll zur Vermisstensuche und Aufklärung bei Einsätzen an Gewässern genutzt wird, haben wir das Projekt über die BRK-Wasserwacht Ortsgruppe Freilassing-Ainring organisiert, bei der ich seit Jahren Mitglied bin. Mit der Rehkitz-Rettung engagiert sich die Ortsgruppe satzungsgemäß in ihrem Aufgabengebiet Naturschutz und kann dabei zugleich für Sucheinsätze an Gewässern die Steuerung der Drohne üben.

Habt Ihr schon Einsätze für die Suche von Rehkitzen geflogen?
Ja, 13 Einsätze. Leider ist uns unerwartet der Corona-Lockdown dazwischengekommen, weshalb sich alles etwas verzögert hat, bis wir mit den ersten Flügen starten konnten. Verschiedene Ausnahme-Genehmigungen für den Betrieb waren erforderlich; beispielsweise benötigten wir von Seiten unserer Organisation, dem Bayerischen Roten Kreuz (BRK), eine Ausnahmegenehmigung, da hier in der Zeit grundsätzlich alle Veranstaltungen, die nicht den direkten Einsatzbetrieb betrafen, verboten waren. Natürlich müssen auch wir uns an die vorgegebenen Hygiene-Maßnahmen und Abstandsregelungen halten, was das Ganze natürlich noch etwas verkompliziert und aufwändiger macht.

Wie funktioniert so eine Suche?
Die Landwirte melden sich telefonisch oder per Mail bei uns. Dann wird ein Team aus vier Helfern eingeteilt. Idealerweise früh am Morgen, damit wir den Wärme-Kontrast zwischen Umgebung und Tier besser mit der Wärmebild-Kamera erfassen können. Wir treffen uns dann mit dem Landwirt und werden von ihm über die zu mähenden Wiesen aufgeklärt. Teilweise können sie uns auch berichten, dass sie dort Rehgeißen gesichtet oder schon einmal ein Kitz gemäht haben. Im Anschluss rüsten sich die Sucher mit Funkgeräten, Handschuhen und Körben aus. Der Spotter stellt den Bildschirm zur Überwachung der Wärmebild-Kamera auf und der Drohnen-Pilot bereitet die Drohne vor. Nach einer kurzen Einweisung der Gegebenheiten beginnt die Suche. Erscheint eine warme Stelle auf dem Bildschirm, wird ein Helfer per Funk zum angegebenen Ort gelotst, um die Stelle zu überprüfen.

Muss ein Sucher überhaupt in das Feld hinein gehen? Kann man das Tier über die Kamera nicht einwandfrei identifizieren?
Durch das hohe Gras ist es meistens unmöglich sicher zu sagen, ob es ein Kitz oder nur ein Maulwurfshügel ist. Selbst der Sucher kann so etwas erst direkt davor sicher bestätigen. Die Kitze sind so gut im Gras versteckt, dass selbst unsere Sucher jedes Mal vorsichtig vorrücken, damit sie nicht versehentlich darauf treten. Marianne Arnemann und Barbara Leder, zwei Sucherinnen, lachen: Es ist sehr spannend, wenn man  mit Herzklopfen durch das teilweise mehr als kniehohe Gras langsam vorwärts geht und man immer wieder an niedergedrückten Grasflächen vorbeikommt, wo man schon vermutet, dass hier ein Tier liegen könnte. Und dann steht man unmittelbar unterhalb der schwebenden Drohne und schaut sich um, bis man entweder feststellt, dass es nur ein Maulwurfshügel war, oder eben ein süßes kleines Kitz ist, das zusammen gerollt im hohen Gras liegt und sich nicht bewegt.

Marianne und Barbara, das hört sich ja so an, als würdet ihr sie gerne zum knuddeln mit nach Hause nehmen?
Ohja, das ist richtig. Aber es ist große Vorsicht geboten, denn man darf ein Kitz nie nur mit bloßen Händen anfassen, sonst nimmt es den Geruch des Menschen an und die Mutter würde es mit großer Wahrscheinlichkeit verstoßen, was den sicheren Hungertod zur Folge hätte. Deshalb ziehen wir uns Handschuhe über und reißen frisches Gras ab. Dann wird das Kitz mit dem Gras zwischen Handschuhen und Kitz hochgehoben und in einen Korb mit Gras gelegt, den wir anschließend vom Feld tragen.

Was macht ihr dann mit den Rehkitzen; lasst ihr sie dann am Feldrand laufen?
Nein, wir legen sie unter den umgestülpten Korb und sichern diesen mit Zelthaken, sodass sie nicht wieder zurück ins Feld laufen und unters Mähwerk geraten.  Wir markieren die Stelle mit einem Fähnchen, so dass der Landwirt die Stelle mit dem Korb dann leichter findet.

Wie lange bleibt das Kitz dann unter diesem Korb?
Nur so lange der Landwirt die Felder mäht; dann nimmt er den Korb weg und das Kitz kann von der Mutter geholt werden.

Kommt die Mutter dann gleich vorbei und holt das Kitz?
Das kommt ganz drauf an, wann der Korb abgenommen wurde. Generell kommt die Mutter nur morgens und abends, um das Kitz zu säugen. Den Rest des Tages ist es wie viele andere junge Wildtiere allein.

Warum sichert ihr den Korb mit Zelthaken?
Um diesen zu beschweren. Bei unserem ersten Einsatz hatten wir nämlich ein Kitz, das mit dem Korb dann spazieren gegangen ist.  Seitdem sind wir schlauer; anfangs legten wir einen Stein drauf, mittlerweile sind wir auf Zelthaken umgestiegen - die sind nicht so schwer zu tragen und der Korb ist besser gesichert. Denn wenn das Kitz sich aus dem Korb befreit, wird es sofort wieder den Schutz des hohen Grases suchen und dabei sicher unter die Maschinen kommen.

Lassen sich so Rehkitze einfach auf heben? Haben die keine Angst?
Die beiden Frauen lachen wieder: Die kleinen haben noch keinen Fluchtreflex und lassen sich meistens ohne Probleme aufheben. Wenn sie schon etwas älter sind, dann kann es sein, dass sie sich etwas wehren und laut schreien. Oder wie eines unserer geretteten Kitze, das sich unerwartet auf die eigenen Beine stellte, laut anfing zu schreien und dann plötzlich flüchtete.

Das hört sich ja alles sehr aufregend an.
Wir erleben immer etwas Neues und Interessantes. Man ist an der frischen Luft und die Stimmung in den frühen Morgenstunden hat etwas Magisches. Und zu wissen, dass man kleinen süßen Rehkitzen das Leben retten kann, ist großartig! Wir sind ein super Team und können immer Freiwillige brauchen, die uns helfen wollen.  Für dieses Jahr ist die Kitz-Saison zwar vorbei, aber wir freuen uns schon darauf, im nächsten Frühjahr wieder loszulegen.

Gibt es etwas nicht Erfreuliches?
Ja leider kommt es immer wieder vor, dass Unbeteiligte die Körbe über den Kitzen entfernen; oder Hunde nicht angeleint sind und Rehkitze reißen. Wir plädieren daher an alle Hundebesitzer: nehmt Eure Hunde an die Leine! Sie haben nichts in hohen Wiesen verloren, denn in jeder Wiese könnten junge Tiere Schutz suchen. Wenn Ihr einen Korb mit einem Kitz findet, lasst bitte alles so, wie es ist. Wir quälen die Tiere nicht, können sie so aber ohne großen Transport in der Nähe der Fundstelle sichern und rasch wieder freilassen. Die Tiere zu befreien oder sogar mit nach Hause zu nehmen ist gut gemeint, aber bringt dem Tier nichts. Jeder unserer Körbe ist gekennzeichnet und mit einer Telefonnummer versehen. 

Wer nächstes Jahr die kostenfreie Rehkitz-Rettung der BRK-Wasserwacht für seine Felder oder Jagdreviere in Anspruch nehmen will, kann sich über die Handynummer +49 (0) 171 8001728 oder E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! melden.